Rathenower AWO muss prozessieren

Die AWO hat Flüchtlinge, die ihre Heimführung kritisierten, verklagt. Die Aufmerksamkeit nutzt den Flüchtlingen

RATHENOW taz ■ So viel Trubel erlebt man am Amtsgericht Rathenow selten. Rund 100 Besucher und Medienvertreter drängelten sich gestern im Saal 1 des Gerichtsgebäudes der Westhavelländischen Stadt, um das Verfahren wegen „übler Nachrede“ gegen den 28-jährigen Asylbewerber Mohammed Abdel Amine aus Togo und dem 34-jährigen Palästinenser Mohammed Mahmud zu verfolgen. Den beiden Asylbewerbern wurde von der Staatsanwaltschaft Potsdam vorgeworfen, die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die ihr Flüchtlingswohnheim betreibt, beleidigt zu haben. Beide Asylbewerber hatten im Sommer 2002 einen offenen Brief unterschrieben, in dem sie gemeinsam mit 60 anderen Bewohnern die Verhältnisse in ihrer Unterkunft kritisiert hatten.

Etwa 50 Unterstützer und Flüchtlinge aus Rathenow protestierten vor dem Gerichtsgebäude gegen die schlechten Bedingungen in der Unterkunft und forderten den Schutz der Privatsphäre, der auch für Asylbewerber gelten müsse. Ein Bewohner des Heims brachte die Stimmung auf den Punkt: „Die Arbeiterwohlfahrt habe zwar das Heim renoviert, aber hier gehe es um mehr, nämlich um unsere Freiheit.“ Das bedeute auch, frei seine Meinung sagen zu können, erklärte er.

Umso enttäuschter waren die Anwesenden, die sich mühsam in den Saal gequetscht hatten, als Richterin Uta Werner die Vertagung des Verfahrens ankündigte. Zuvor hatten sich die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten sowie deren Verteidiger nicht auf einen Modus der Einstellung des Verfahrens einigen können.

„Wir werden keine Einigung mit finanziellen Auflagen für die Angeklagten akzeptieren“, hatte Ulrich von Klinggräff, Verteidiger von Mohammed Abdel Amine, vor Beginn der Verhandlung zur taz gesagt. Die Richterin Uta Werner kündigte an, den Prozess auf mehrere Tage ausdehnen zu wollen, um alle Zeugen befragen zu können.

Mohammed Abdel Amine begrüßte die Ausdehnung des Prozesses gegenüber der taz: „Dass nun so viele Zeugen vernommen werden sollen, ist eher ein Segen als ein Fluch. Nun können wir der Öffentlichkeit beweisen, dass die Vorwürfe aus unserem offenen Brief zutreffen.“ Vor Gericht wollen die Flüchtlinge darlegen, dass die AWO private Post geöffnet habe und in ihrer Abwesenheit in ihre Zimmer eingedrungen sei. M. KRÖGER, A.VEIT