In Putins Namen I

Michail Fradkow gehört nicht zu jenen, die die erste Geige spielen müssen. Das dachte wohl auch Präsident Putin, als er den 53-jährigen EU-Botschafter am 2. März 2004 zum neuen Premier erkor. 30 Jahre Staatsdienst weisen Fradkow als mit allen Apparaten kompatiblen Bürokraten aus. Wegen seiner Erfahrungen als Handelsminister glauben Westinvestoren, unter seiner Ägide werde sich am Wirtschaftskurs nichts ändern. Dennoch gilt Fradkow als Vertreter der Silowiki, der mächtigen Fraktion der Sicherheitskräfte, im Umfeld des Präsidenten. 1996 fiel Fradkows Name im Zusammenhang mit der Veruntreuung von 4,9 Milliarden Rubel. Das Büro des ermittelnden Staatsanwaltes ging „nach einem Kurzschluss“ in Flammen auf. Wenig später erlag der Beschwerdeführer den Folgen einer Infektion.

Boris Gryslow sieht sich als willfähriges Werkzeug seines Chefs. Eine eigene Meinung zu haben, so sagte der 53-jährige Dumavorsitzende einmal, sei in der Politik oft hinderlich. Doch die Enttäuschung über die Ernennung Fradkows zum Premier konnte der Vorsteher der Retortenpartei des Kremls „Jedinnaja Rossija“ nicht verbergen. Er hatte sich selbst Hoffnungen auf den Posten gemacht. Für seinen Chef, so sagt Gryslow, würde er auch aus dem Fenster springen. Zuverlässigkeit hält der Polittechnokrat mit vorbildlichem Organisationstalent für seine bedeutendste Qualität. Gryslow hat seinen Aufstieg allein Putin zu verdanken. Der holte ihn nach Moskau, nachdem Gryslows Versuch, ein Mandat im Petersburger Stadtparlament zu erringen, gescheitert war. Gryslow ist der Prototyp jener farblosen Prätorianergarde, mit der sich der Kremlchef umgibt. Der unter Putin wieder auflebende politische Witz zählt ihn zur Gattung der „Androiden“. Wie Mentor Putin hat auch Gryslow in den Strukturen des Geheimdienstes seine politische Sozialisation erhalten. Wer die soziale Intelligenz eines Gryslow besitzt und überdies auf Meinung, Moral und Gefühl verzichten kann, dem öffnen sich im neuen Russland die richtigen Türen. KHD