Alle Finger zeigen auf die ETA

Der spanische Wahlkampf wird ausgesetzt. Die Konkurrenz um die Aznar-Nachfolge war seit Wochen vom Thema Kampf gegen den Terror beherrscht

MADRID taz ■ „Spanien trauert“, erklärte gestern der Kandidat der konservativen Partido Popular (PP), Mariano Rajoy. Wie seine Konkurrenten gab der designierte Nachfolger des regierenden José María Aznar bekannt, sämtliche Wahlkampfveranstaltungen für die am Sonntag angesetzten Parlamentswahlen abzusetzen. Alle Politiker zeigten in ihren ersten Statements außerdem auf die ETA. „Sie wollen die Demokratie sprengen. Das sind Mörder, Gesindel. Das sind keine Basken“, sagte der Chef der baskischen Regionalregierung, Juan José Ibarretxe. Der Spitzenkandidat der prokommunistischen Vereinigten Linken, Gaspar Llamazares, sprach gar von „Nazi-Gräueln der ETA“. Auch die meisten Spanier hielten es gestern für am wahrscheinlichsten, dass die baskische Separatistenorganisation hinter dem Blutbad steckt. Sie bestimmt das politische Leben und den Wahlkampf auf der iberischen Halbinsel ohnedies seit Wochen.

Noch im Vorwahlkampf wurde bekannt, dass die Nummer zwei der sozialistisch gelenkten Autonomieregierung in Katalonien, der radikale Nationalist Josep Lluis Carod-Rovira, mit der ETA-Führung ein Geheimtreffen abgehalten hatte. Als die Terrorgruppe wenig später einen Waffenstillstand nur für „das befreundete Katalonien“ verkündete, war der Skandal perfekt. Die Konservativen hatten ihr Wahlkampfthema gegen den Spitzenkandidaten der sozialistischen PSOE, José Luis Ródriguez Zapatero, gefunden.

„Wer steht dafür, dass es nicht Spanier erster und zweiter Klasse gibt, oder wer kämpft mit mehr Erfolg gegen den Terrorismus?“, fragte Rajoy seither auf allen Wahlkampfveranstaltungen. „Es gibt nur eine Partei, die überall im Lande den gleichen Diskurs hat: die PP“, antwortete er dann. Selbst in den Reihen der Sozialisten werfen die Barone aus den ärmeren Regionen Zapatero vor, in Katalonien nicht für Ordnung zu sorgen.

Zapatero bekommt seither keinen Fuß mehr auf den Boden. Nicht nur im Umgang mit den Nationalisten, auch mit seinem weiteren Programm kann er nur wenig Begeisterung wecken. Es ist in vielen Punkten eine schlechte Kopie dessen, was die konservative Partido Popular (PP) seit acht Jahren in der Regierung vormacht. So verspricht Zapatero weitere Steuersenkungen auch für Besserverdienende und Unternehmen, ohne zu erklären, wie er die gleichzeitig angekündigten Sozialmaßnahmen bezahlen will.

Auch das Versprechen der PSOE, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, verpufft. Noch nie gab es in Spanien so viele Neueinstellungen wie in den letzten acht konservativen Jahren. Seit 1996 liegt das spanische Wirtschaftswachstum über dem EU-Durchschnitt und erreichte zeitweise vier Prozent. Die Arbeitslosigkeit sank von 23 Prozent unter den Sozialisten auf derzeit elf Prozent. Der Konsum steigt südlich der Pyrenäen zudem ständig. „Gemeinsam schaffen wir noch mehr“, heißt deshalb der Wahlkampfslogan von Mariano Rajoy. Der ehemalige Stellvertreter Aznars setzt ganz auf Kontinuität.

Nach den Anschlägen von Madrid dürfte die PP am Sonntag die absolute Mehrheit erzielen. Zeigen doch die Umfragen, dass die Menschen dem ehemaligen Innenminister Rajoy, der für einige der wichtigsten Verhaftungen verantwortlich zeichnete, mehr Kompetenz im Kampf gegen den Terror zutrauen als seinem Herausforderer.

REINER WANDLER