Brauchen wir eine Klimakultur?

1. Erledigt „die Politik“ das Problem Klimawandel und Energieerzeugung oder brauchen wir eine Klimakultur und eine gesellschaftliche Elite, die einen Ökofaktor in ihren Lebensstil integriert? 2. Was ist Ihr eigener Lieblingsökofaktor? 3. Wer sind für Sie (prominente) Vorbilder für einen Lebensstil mit Ökofaktor? Die Umfrage

FRIEDRICH HINTERBERGER, 49, ist Gründer und Präsident des Sustainable Europe Research Institute SERI in Wien.

1. Das Leben wär für alle jedenfalls schöner, wenn wir eine „Klimakultur“ hätten – wobei: Es geht ja nicht ums Klima – es geht um uns. Je mehr Leute anders leben, desto lohnender wird es für andere nachzuziehen. Wenn das „Elite“ ist, ja bitte!

2. Zwei Dinge fallen mir dabei als Etwas-besser-Verdienendem ein:

a. Weniger arbeiten, auch wenn ich dabei weniger verdiene, aber mehr Zeit für meine Lieben, für Muße, meine Hobbys habe. Das macht auch Platz für andere, die in der Wirtschaftskrise sonst vielleicht ihren Job verlieren.

b. Ich kaufe lieber weniger, dafür etwas teurere, qualitativ hochwertigere Dinge (die dann auch noch regional, bio, fair sein sollten). Da ist der ökologische Rucksack viel kleiner, als wenn ich fürs gleiche Geld viel Massenramsch zum „Geiz ist geil“-Preis ansammle.

3. Ich kenne keine Promis so gut, um das beurteilen zu können. Mir scheint es auch wichtiger, im persönlichen Umfeld (beruflich, politisch, privat) Vorbild zu sein und andern zu zeigen, dass es guttut und Spaß machen kann, öko zu sein.

KATJA KIPPING, 30, ist stellvertretende Vorsitzende der Linken.

1. Eine „Klimakultur“ brauchen wir. Das ist auch eine Frage der globalen Gerechtigkeit, denn die Folgen des Klimaschocks werden die ärmsten Länder zuerst und in besonderer Härte treffen. Die Effizienzrevolution alleine wird nicht ausreichen, um die nötige CO2-Einsparung zu erreichen. Hier gehört die Wachstumslogik in Gänze auf den Prüfstand. Die Idee einer Ökoelite reißt mich allerdings nicht vom Hocker. Als Sozialpolitikerin kämpfe ich vielmehr darum, dass sich jeder ökologisch bewussten Konsum, also das Brot vom Biobäcker und die stromsparende Waschmaschine auch leisten kann.

2. Strom beziehen, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen kommt und –wenn es mein Zeitplan zulässt – Lebensmittel von Ökohöfen in der Dresdner Verbrauchergemeinschaft einkaufen. Ist nicht nur gesund, sondern schmeckt auch besser.

3. Von Vorbildern im monolithischen Sinne halte ich recht wenig. Was mich aber wirklich inspiriert hat, war der Roman „Ökotopia“ von Ernest Callenbach, in dem eine ökologische Gesellschaft durchgespielt wird.

MARTIN UNFRIED, 42, ist Politologe und Autor der taz-Kolumne „Ökosex“.

1. Wir brauchen die Klimakultur, da Kaufentscheidungen in der Konsumgesellschaft nicht nur mit politischen Instrumenten oder ökonomisch (Kosten-Nutzen) gesteuert werden können. Die kollektive Fixierung einer Gesellschaft auf viel zu starke, schwere, schnelle, zu teure und umweltschädliche Autos ist dafür der Beweis. Es gibt bereits seit Jahren heftige finanzielle Anreize, andere Autos zu kaufen. Was fehlt, sind gesellschaftliche Trends.

2. Produzent sein von erneuerbarem Strom. Und viel mehr Strom selbst produzieren, als unsere Familie verbraucht.

3. Alle, die es jenseits der Energiesparlampe professionell angehen und sagen: „Raus aus der fossilen Welt!“ Wie der Bundestagsabgeordnete Hans Josef Fell.

UDO RÖBEL, 58, ist Publizist und Autor, Exchefredakteur von Bild und im Beirat des neuen Klimamagazins.

1a. Unbedingt.

1b. Bestimmt nicht, wenn Dieter Bohlen und Heidi Klum „Deutschlands Super-Klimaretter“ suchen. Wie immer muss die Welle von unten angeschoben werden – nämlich von jedem Einzelnen von uns. Die Eliten leben dann von ganz allein den Trend nach.

2. Müll trennen und meinen Filius (15) zum Altpapiercontainer schicken.

3. Autobesitzende Kollegen, die wirklich das ganze Jahr über mit dem Rad zur Arbeit fahren. (Und meine Frau, die auf Bio-Eierlikör umgestiegen ist.)

SARALISA VOLM, 23, ist Schauspielerin, unter anderem in Hauptrollen in Klaus Lemkes „Dancing with Devils“ und „Finale“.

1. Wenn ich mir meine Großeltern ansehe, so ist es für sie selbstverständlich, Strom zu sparen. Natürlich, weil sie dadurch Kosten senken. Dennoch spielt auch etwas anderes eine große Rolle: Ihnen fehlt die Begeisterung für Verschwendung und sinnfreien Konsum, denen man ansonsten so oft begegnet. Wir machen es uns ziemlich leicht, wenn wir glauben, durch ein paar Energiesparlampen die Welt retten zu können. Genau genommen erscheint es mir sehr zynisch, über die Notwendigkeit der Erhaltung von Polkappen zu debattieren, während andernorts weder die Versorgung mit Trinkwasser noch eine ausgewogene Ernährung im Bereich des Möglichen liegen. Wenn wir etwas brauchen, dann eine Kultur, in der Werte wie Respekt, Bildung und Nachhaltigkeit eine neue Bedeutung bekommen. Alles andere ist hippieske Augenwischerei vom Feinsten und für all jene gut, die das eigene Pseudogewissen beruhigen wollen, anstatt der Realität ins Auge zu blicken. Wenn wir Zusammenhänge begreifen und erkennen, dass wir nicht allein sind und dass es ein Morgen gibt, ändert sich unser klimabezogenes Verhalten von selbst. Der Klimawandel ist lediglich ein Symptom, das durch unser ausbeuterisches Verhalten zustande kommt. Es wird nur geheilt werden können, wenn die eigentliche Krankheit behandelt wird. Ansonsten werden sich die Probleme nur verlagern. In der aktuellen Diskussion finden sich hierfür viele Beispiele. Zwei Ideen zur Verringerung des Kohlenstoffdioxidausstoßes sind zum einen der Erhalt und die Erweiterung der Atomkraftwerke, zum anderen der Ersatz gewöhnlicher Treibstoffe durch Biodiesel. Ersteres sorgt für verseuchte Landstriche durch den Abbau von Uran. Dies führt zu Verödung und zu vermehrten Erkrankungen bei den Bewohnern. Die Biodieselproduktion ist zudem auch Treibstoff für steigende Lebensmittelpreise und für die Abholzung der Regenwälder. Beides kann kaum als Ziel des Klimaschutzes gelten. Ich halte daher nichts von einer Klimakultur und einer gesellschaftlichen Elite, die selbige vorlebt. Vielmehr wünsche ich mir eine Gesellschaft, der es gelingt, sich selbst zu hinterfragen, und die bereit ist, die Konsequenzen ihres Handelns zu tragen. Das mag idealistisch klingen und alltagsfern. Nachhaltigkeit und Klimaschutz entstehen allerdings zumeist im Kleinen – in Familien, Schulen oder Kommunen –, weil sie Sinn ergeben, auch wenn das Thema nicht global betrachtet wird. Erkennbare Werte, Anteilnahme und aufrichtiges Interesse führen oft zu einem bewussten Umgang mit der eigenen Umgebung. In vielen Fällen wäre ich deshalb glücklicher, wenn Kinder lernten, sich richtig zu ernähren und selbständig zu denken, anstatt ihnen Klimaschutzrezepte vorzulegen, um von der eigentlichen Problematik abzulenken.

2. Meine persönlichen Lieblingsökofaktoren sind mein Fahrrad und all die Züge, die ich von innen kenne. Außerdem wird bei mir nicht gebügelt und nicht geföhnt. Das spart nicht nur Strom, sondern vor allem auch Zeit und Nerven.

3. Die meisten Personen, die prominent sind, können logischerweise kaum als Vorbilder mit nachahmenswertem Ökofaktor gelten. Die erforderte Mobilität eines Künstlers, Politikers oder Sportlers beschränkt die Möglichkeit einer ökologischen Lebensweise enorm. Reisen und Hotelaufenthalte vergrößern den ökologischen Fußabdruck extrem und beschränken die Selbstbestimmung im Konsumverhalten. Die wahren Ökovorbilder liegen wohl eher im Verborgenen und werden uns selten in den Massenmedien begegnen. Besonders klimafreundlich leben schließlich vor allem die Armen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Aber da fällt mir ein, Jan Delay hat auch keinen Führerschein. Das hat irgendwie Style.