Müssen Maler Meister sein?

Handwerker vor Gericht: Weil sie Malerarbeiten durchführen ließen, ohne einen Meisterbrief zu haben, sollen zwei junge Männer fast 140.000 Euro Strafe bezahlen. Solidarität bekommen sie von den „Unabhängigen HandwerkerInnen“

Aus Bremen Elke Heyduck

Am Montag wird vor dem Bremer Amtsgericht zwei Malern der Prozess gemacht, deren Angestellte von der „Ermittlungsgruppe Schwarzarbeit“ beim Verputzen eines Mauerstücks erwischt wurden. Ihr Vergehen: Sie hatten keinen Meisterbrief in der Tasche, gründeten aber dennoch eine kleine Firma. Weil man dafür keinen Meisterbrief braucht, meldeten sie lediglich das Gewerbe des Holz- und Bautenschützers an. Wegen unerlaubter Handwerksausführungen müssen sich Carsten B. und Marco P. nun verantworten. Ihnen droht ein Bußgeld von je 67.000 Euro.

„Das Strafmaß ist völlig realitätsfern“, empört sich Jonas Kuckuk. „Das kann die beiden ihre Existenz kosten.“ Kuckuk gehört zum Vorstand des Berufsverbandes unabhängiger HandwerkerInnen (BUH) und läuft nicht nur gegen die Geldstrafe Sturm. „Dass man einen Meisterbrief braucht, um Maler zu sein, ist völlig unsinnig“, so der reisende Dachdecker. „In diesem Fall ist aber noch nicht mal klar, ob es sich überhaupt um Malerarbeiten gehandelt hat.“

Kuckuk arbeitet innerhalb seines Berufsverbandes gegen die Beibehaltung des Meisterzwanges. Nirgendwo in Europa – außer in Luxemburg – gebe es so enge Beschränkungen. Weswegen sich etwa EU-Bürger auch ohne Meisterbrief selbständig machen können. Viel Hoffnung setzten die Unabhängigen HandwerkerInnen und mit ihnen die „Böhnhasen“ – benannt nach den ‚nicht zünftigen Handwerkern‘ des Mittelalters – in die Novellierung der Handwerksordnung. „Aber statt die Liste der meisterpflichtigen Gewerke auszumisten, haben sich die Kammern durchgesetzt“, ärgert sich Kuckuk. Für ihn sind die Interessen klar: „Wir haben eigentlich eine freie Marktwirtschaft. Wenn dieser Markt durch Regelungen verengt wird, dann profitieren die bestehenden Firmen.“

Tatsächlich sollten bei dem neuen Gesetz Ende vergangenen Jahres nur noch „gefahrgeneigte Gewerke“ im Meisterzwang verbleiben. Es kam anders. Der Gesetzgeber beließ es auch bei den „ausbildungsstarken“ Handwerken dabei. Und dazu zählen die Maler. Warum ein Betrieb ohne Meister weniger ausbilden soll, bleibt dabei rätselhaft.

Rätselhaft ist der Meisterzwang auch aus Sicht der Verbraucherschützer. Die Leiterin der Bremer Verbraucherzentrale, Irmgard Czarnecki, kann sich nur wundern: „Wieso brauche ich einen Meisterbrief für eine Tätigkeit, die 30 Prozent der Bevölkerung ohnehin selber machen?“ Sie betont: Auch bei der Gewährleistung gibt es keinen Unterschied zwischen Meisterbetrieb und einem ohne Meister: „Beide haften vertragsgemäß.“

Bei den beiden jetzt Verklagten handelt es sich um Maler, die ihren Beruf damals bereits sechs Jahre lang ausübten. „Wir zahlen Steuern und Sozialabgaben – trotzdem werden wir wie Schwarzarbeiter behandelt“, so Marco P. damals.

Die Bremer Handwerkskammer will den Prozess vorab nicht kommentieren. „Bezogen auf den Gesamtrahmen ist das verhängte Bußgeld sicher zulässig“, sagt Jurist Christian Flathmann. Er verweist in Sachen Meisterbrief auf „Ausnahmeregelungen“ wie die für den Altgesellen. Wer vier Jahre Geselle war und zwei Jahre in leitender Position, der darf auch ohne Meistertitel eine Firma gründen. Das betrifft aber in der Regel ältere Personen.

Ob sich das Gericht am Montag in seiner Urteilsbegründung am Rande auch zum Meisterzwang äußert, ist ungewiss. Zunächst einmal muss es auf geltender Rechtsgrundlage verhandeln – und die heißt noch immer: Wer selbständiger Maler sein will, muss Meister werden.