Weniger im Portemonnaie

Alleinerziehende sind die Verlierer der Steuerreform. Haushaltsfreibetrag wurde durch halbierten „Entlastungsbetrag“ ersetzt. Eltern von volljährigen Kinder erhalten keinerlei Entlastung mehr. Auch die Kirche langt stärker zu

von KAIJA KUTTER

Alleinerziehende zu unterstützen scheint aus der Mode zu kommen. So nahm der alte Hamburger Senat beim Vergabestopp für Kita-Gutscheine keine Rücksicht auf Einelternfamilien. Aber auch die Steuerreform des Bundes benachteiligt ausgerechnet diese Gruppe. Peggy Liebisch, die Geschäftsführerin des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV), geht davon aus, dass in diesem Jahr die unteren Einkommensgruppen bis 20.000 Euro Jahreseinkommen bis zu 45 Prozent mehr Steuern zahlen.

Verursacht wurde dies durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1998, das eigentlich familienfreundlich gedacht war. Bis dahin konnten Alleinerziehende bei ihrer Steuererklärung einen „Haushaltsfreibetrag“ von 5.616 Mark geltend machen. Weil dieser Freibetrag auch zwei Alleinerziehenden, die zusammenwohnten, zustand, fühlten sich verheiratete Elternpaare benachteiligt und hatten dagegen geklagt. Die Bundesrichter befanden, dass ein solcher Freibetrag allen Eltern unabhängig vom Familienstand zustehen müsse und beauftragten den Gesetzgeber, bis 2001 eine solche Regelung zu schaffen. „Die Regierung hat die billigste Lösung gesucht und den Haushaltsfreibetrag für alle gestrichen“, konstatiert Peggy Liebisch. Denn die Alternative, das Ehegattensplitting abzuschaffen und davon eine kindbezogene Entlastung für alle Eltern zu schaffen, schien zu heikel.

Die Abschaffung des Freibetrages geschah schrittweise. Im Jahr 2002 wurde er auf 2.340 Euro gesenkt, zum 1. Januar 2004 sollte er vollständig entfallen. Aufgrund des massiven Protestes einigten sich Regierung und Opposition im Herbst im Vermittlungsausschuss zur Steuerreform schließlich auf einen „Entlastungsbetrag“ in Höhe von 1.308 Euro, der ab 1. Januar 2004 gültig ist. Allerdings gilt diese geschrumpfte Variante nur noch für „echte“ Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern.

„Die Telefone stehen nicht still, die Verunsicherung und Empörung der Alleinerziehenden ist sehr groß“, schreibt die VAMV-Bundesvorsitzende Edith Schwab in einem Brief an die SPD- und Grünen-Abgeordneten des Bundestages. Denn erstens sei der Entlastungsbetrag „viel zu niedrig“ und zweitens seien die Bedingungen, um diesen zu erhalten, zu stark eingeschränkt. So werden Alleinerziehende wie Singles in „Steuerklasse 1“ eingestuft, wenn sie mit einer anderen Person eine Hausgemeinschaft bilden. Damit werden Alleinerziehende ausgeklammert, die mit einem neuen Partner zusammenleben. Laut VAMV trifft dies aber auch schon zu, wenn zwei Alleinerziehende zusammenwohnen oder wenn eine pflegebedürftige Oma mitwohnt. Oder aber, wenn eines der Kinder in der Wohnung nicht mehr kindergeldberechtigt ist.

Die Folge ist eine starke Steuerungerechtigkeit. Der VAMV hat ausgerechnet, dass ein kinderloses Ehepaar mit einem Jahreseinkommen von 20.000 Euro gar keine und bei 30.000 1.686 Euro Lohnsteuer zahlt. Eine allein erziehende Mutter mit einem Kind müsste bei 20.000 Euro Einkommen 1.760 Euro, bei 30.000 4.590 Euro zahlen, obwohl hier ebenfalls zwei Menschen vom gleichen Geld leben. Noch krasser ist der Unterschied bei Alleinerziehenden, deren Kinder 18 sind, aber sehr wohl noch zur Schule gehen, studieren oder in Ausbildung sind. Hier fordert der Gesetzgeber 2.100 bzw. 4.999 Euro Lohnsteuer ein. Ebenso verhält es sich bei der Kirchensteuer. Hier zahlt eine Alleinerziehende mit 292,59 Euro doppelt so viel wie das kinderlose Ehepaar (151,74 Euro).

Das Bundeskabinett hat sich Ende Februar mit der Sache befasst und dem Bundesfinanzministerium (BMF) einen „Prüfauftrag“ erteilt. „Es hat wohl Interpretationsschwierigkeiten gegeben, was ‚echte‘ Alleinerziehende sind“, erklärt Ministeriumssprecher Oliver Heyder-Rentsch. Deshalb solle nun ein „präzisierendes Schreiben“ erstellt werden.

Nach Informationen von Peggy Liebisch wird derzeit gar geprüft, ob nicht doch auch die Alleinerziehenden mit erwachsenen Kindern vom Entlastungsbetrag profitieren sollen. Dies wäre zwar schon ein „großer Erfolg“, doch es bliebe die starke Kürzung des alten Freibetrags. Der VAMV empfiehlt deshalb allen Alleinerziehenden, im Herbst Widerspruch gegen die Steuerbescheide einzulegen. Nach dem Gang über die Finanzgerichte müsste schließlich wieder das Bundesverfassungsericht entscheiden, ob hier familienfreundlich gehandelt wird.