urdrüs wahre kolumne
: Gevatter Schweinehund

Dialog am Waller Friedhof: „Bei meinem hab ich auf das Sterbegeld schon einen Tausender drauflegen müssen und hinterher für Anzeige und Kaffeetrinken auch noch achthundert, Mark natürlich. Weiß gar nicht, wie die jungen Frauen das jetzt machen, wo es kein Sterbegeld mehr gibt ...“ Die andere: „Meinen fahre ich direkt vor das SPD-Büro und leg ihn da ab. Der hat die doch immer noch gewählt ...“ Grüne Witwen kratzt das nicht. Da wird einfach kompostiert – und die liberale Erbin schließt den Plastifikationsvertrag mit Dauerkarte für die „Körperwelten“.

Ein vergnügt-verlogenes Bild von schönster Entlarvungskraft erschien dieser Tage im Weserkurier zum neuen Reinigungskonzept in der City. Vorn im Lichte sieht man Peter Schneider als geschäftsführenden Kauhof-Onkel und dem endlich wieder schwergewichtigen Senator Jens Eckhoff im Business Outfit vor Straßenreinigungsgeräten, die sie mit so spitzen Fingern anfassen als gelte es gerade, gebrauchte Komdome von der Rückbank des Dienstwagens zu entsorgen. Dahinter aber im Halbdunkel stehen die echten Stadtreiniger in blauer Plastikfolie und ihre Gesichtszüge verraten überdeutlich, was sie von ihren selbsterdreisteten Kollegen im Vordergrund halten: der Dreck muss weg!

Natürlich ist nicht jeder Träger einer Polizeiuniform ein Rassist, und auch die Mitgliedschaft im SM-Club ist keine Eingangsvoraussetzung für die Laufbahn bei der Bullerei. Wenn der sexuelle Missbrauch an weiblichen Häftlingen in Polizeigewahrsam vom Bremer Sonderermittler Hasso Kliese jetzt als Tat eines triebgesteuerten Einzeltäters verharmlost wird, wirft das schon Fragen nach der Systematik des Ganzen auf. Zumal dieselbe Polizei jetzt auch noch in eigener Regie und Unverantwortlichkeit John Agbolete aus Togo krallte und in Abschiebehaft brachte: Wer sowas auf Befehl macht, mag ein halbwegs feiger Normalo mit Angst um Arbeitsplatz und Eigentumswohnung sein – wer sowas aber aus eigenem Antrieb und gegen richterliche Verlängerung der Duldung durchzieht, darf den Vorwurf des Fremdenhasses nicht scheuen und genießt vermutlich sehr, wenn ihm der Gevatter Schweinehund in der Sauna seines Fitness Center anerkennend auf die verschwitzte Schulter haut.

Wachsame Bürger überall: Im Speisewagen des ICE lese ich mit einer Mischung aus Sentimentalität und Freude an der revolutionären Beharrlichkeit mancher Zeitgenossen die nicht sonderlich unterhaltsame „Rote Fahne-Wochenzeitung der MLPD“, die ich einem Handverkäufer in Hamburg abgekauft habe. Ein mir schräg gegenübersitzender Herr, der als Mitglied des Lions Club durch eine Anstecknadel gebrandmarkt ist, schaut ungläubig immer wieder zu mir herüber, zumal er dieses Blatt offenkundig nicht mit der gleichzeitig aufgeschlagenen FAZ zusammenbringen kann. Irgendwann habe ich einen Artikel unter dem Titel „Mobbing muss Straftatbestand werden“ beim Wickel – er erhebt sich und fragt in offenkundiger Betroffenheit, ob ich ihm diesen Beitrag überlassen könne. Tja, in der Agonie des staatsterroristischen Kapitalismus in seinen vorletzten Zügen wird eben jeder ganz schnell zum Opfer, befürchtet und hofft auch für diesen Fall

Ulrich
„Altklug“ Reineking