„Der Köder muss dem Fisch schmecken“

In der Villa Ichon diskutierte die Bremer Kulturszene die Bewerbung der Stadt zur Kulturhauptstadt 2010. Während das Team um Intendant Martin Heller Klischees ironisch brechen will, beklagen Kritiker allzu viel „Tümelndes“

Bremen taz ■ Eine intime Stimmung wollte am Donnerstagabend in der Villa Ichon nicht aufkommen: Dicht gedrängt saßen über 140 Leute in und vor dem edlen Saal, um auf Einladung der Heinrich Böll-Stiftung über Bremens Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 zu diskutieren.

Der Kulturreferent der Arbeitnehmerkammer und Sprecher der Kulturpolitischen Gesellschaft, Thomas Frey, eröffnete die von taz-Kulturredakteur Henning Bleyl moderierte Debatte mit einer Analyse der Arbeit des Hellerschen Kulturhauptstadt-Teams. Frey konstatierte „konzeptionelle Defizite“. Unglücklich sei der „Mix zwischen Privatissime-Einzelgesprächen“ von Kulturschaffenden mit dem Heller-Team und so genannten „Gipfeln“ gewesen, wo ganze Kulturbereiche en bloc empfangen worden seien. Er stelle „eine ganze Menge Unzufriedenheit“ in der Szene fest.

Schwankhallen-Regisseur Carsten Werner sah das anders: „Was ist das für eine blöde Rechtfertigungsveranstaltung hier“, echauffierte er sich. Wenn sich die Bremer Kulturszene damit beschäftige, wer wann wohin eingeladen worden sei oder nicht, sei das „uninteressante heiße Luft und ideenfreie Kritik“.

Auch Ex-Moks-Dramaturg Uli Fuchs vom Kulturhauptstadt-Team konnte die Kritik nicht nachvollziehen. Bremen sei eine diskussionsfreudige Stadt, sagte er, und Ideen zur Kulturhauptstadtbewerbung seien „nicht im Hinterzimmer ausbaldowert worden“. Zugleich räumte der Heller-Mitarbeiter ein, dass man selbst noch „taste und suche“. Das Team sei „keine kafkaeske Behörde“ und verhänge keine sakrosankten Gesetze, sondern mache Diskussionsangebote: „Wir machen das nicht aus einer arroganten Selbstsicherheit heraus“. Die Bremer Bewerbung, die „hoffentlich von einer Fachjury und nicht nur von den Ministerpräsidenten am Lagerfeuer diskutiert“ werde, werde vor allem Aspekte wie die „starke Zivilgesellschaft“ der Stadt, die Chance der bremischen Städtepartnerschaften zum „transnationalen Lernen“ und die anstehende Stadtentwicklung etwa in der Überseestadt in den Mittelpunkt rücken, erläuterte Fuchs. Was den Aspekt „Vermittlung an die nächste Generation“ betreffe, müsse das Team noch „nacharbeiten“, räumte er selbstkritisch ein. „Hier in Bremen regiert eher so die Generation 55 plus.“

Die Galeristin und frühere „Anstoß“-Sprecherin Katrin Rabus wiederholte in abgeschwächter Form ihre Kritik, die sie vor einigen Tagen bereits gegenüber der taz geäußert hatte: „In dem Bewerbungs-Prozess läuft etwas grundsätzlich schief.“ Sie kritisierte ebenfalls die nach ihrer Meinung „einseitige Diskussion“. Und sie vermisse in dem ersten Bewerbungsentwurf des Heller-Teams die Menschen. So tauche etwa als Petitum ein Anbau der Kunsthalle auf, nicht aber die Person des Kunsthallen-Chefs Wulf Herzogenrath. Außerdem gebe es in der Kampagne „sehr viel Tümelndes“ wie die Hanse-Kogge oder den Bremer Roland. „Ich bin nicht glücklich, dass Marketing-Ideen vor den Inhalten da sind“, sagte Rabus.

Fuchs wies diese Kritik zurück. Man habe sich ausdrücklich bislang mit Symbolen zurückgehalten und vorerst auch auf ein „Motto“ verzichtet. „Doch was wir vielleicht manchmal nicht mehr hören können, kann für Leute von außen sehr wichtig sein.“ Man könne doch „mit Klischees ironisch umgehen“, schlug Fuchs vor – und verwies auf die bemerkenswert singenden Stadtmusikanten auf der Bewerbungs-Homepage.

Auch Klaus Sondergeld, Chef der Bremen Marketing GmbH, hieb in diese Kerbe. Es gehe vor allem darum, „Presseleute, Juroren und Politiker außerhalb Bremens“ von einer Entscheidung für Bremen zu überzeugen, sagte der Werbe-Fachmann. „Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“ M. Jox

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