Bloß nicht Zweiter

Die SG Flensburg will ihr Vize-Image ablegen. In der Champions League besteht heute gegen Magdeburg erste Gelegenheit dazu

AUS FLENSBURG OKE GÖTTLICH

Was es noch zu sagen gibt zum nächsten Gegner, der doch ohnehin immer der schwerste ist, auch im Handball? Kent-Harry Andersson spricht leise. Wie immer. „Wir treten gegen Magdeburg mit großem Respekt an“, sagt er. Zweimal haben seine Flensburger in dieser Bundesligasaison schon verloren, ziemlich hoch noch dazu. Dennoch will der Trainer versuchen, in den beiden Halbfinalspielen der Champions League (das erste steigt heute um 15.15 Uhr) „wie in Magdeburg zu spielen“. Denn, so Andersson: „Das war ganz gut“ – trotz der Niederlage. Auch dass Magdeburg gerade gegen Wilhelmshaven verloren hat, ist für Andersson kein Grund, lauter zu werden. Flensburgs Manager Thorsten Storm sieht darin durchaus einen kleinen Vorteil. „Magdeburg ist bereits zweimal gegen vermeintlich kleine Gegner gestolpert“, sagt er. Und beweist damit: So ganz kann es der SG-Manager nicht lassen, auf die Gegner zu achten. Dabei hat er sich fest vorgenommen, „nicht mehr auf die anderen zu schauen“. Flensburgs Seele schreit danach, endlich selbst von den anderen betrachtet zu werden.

Vor wenigen Wochen widmete sich die Zeit wirtschaftschwachen Städten und fand heraus, dass Flensburg in dieser Tabelle deutschlandweit auf Rang drei liegt. Immerhin, könnte man unken, ist es nicht der zweite Platz – und somit jener, dem selbstironische Fans der SG bereits die Webseite www.ewiger-zweiter.de gewidmet haben. Der Grund: In den letzten 12 Jahren sammelte Flensburg elf Vizetitel. So erklärt sich die tiefe Depression der Fans des nördlichsten Bundesligisten. Aber auch die Motivation, die den Verein derzeit antreibt, endlich erfolgreich Handball zu spielen.

„Mir ist es egal, welchen Titel wir gewinnen. Aber ich glaube, die Stadt Flensburg will lieber die deutsche Meisterschaft“, antwortet Andersson auf die Frage, ob er lieber Pokalsieger, Champions-League-Gewinner oder deutscher Meister werden würde. In allen drei Wettbewerben ist Flensburg noch vertreten. Auch für Manager Storm hat die Meisterschaft Priorität. Er sagt: „Wer in Deutschland Meister wird, interessiert die Leute mehr. Oder wer spricht noch davon, dass Magdeburg mal die Champions League gewonnen hat?“

Der junge Manager hat großen Anteil am Flensburger Erfolg. Kürzlich wurde sein Vertrag bis 2007 verlängert, nach dem er im rezessiven Jahr 2003 in einer rezessiven Stadt 500.000 Euro mehr an Marketingeinnahmen generieren konnte als im Vorjahr. Er vertrieb in seiner nicht überall beliebten Art einiges vom provinziellen Mief, der Flensburg umgab, und platzierte die SG zwischen Bier und Sex – den durch die Flensburger Brauerei und Beate Uhse einzigen prosperierenden Branchen der Stadt. Storm initiierte eine Partnerschaft mit dem Nachbarland Dänemark, „um aus dem Standortnachteil einen Vorteil“ zu machen. Die Idee der „ersten dänischen Mannschaft, die deutscher Meister werden will“, lässt ihn dabei nicht los. 500 Dauerkarten sind an Fans aus dem Nachbarland verkauft und einige dänische Spieler würden „schon mal auf den letzten Tausender verzichten“, weil sie die Nähe zu ihrem Heimatland schätzen.

Dass mit Lars Krogh Jeppesen der dänischer Star des Teams in der kommenden Saison nach Barcelona wechselt, ergibt sich zwangsläufig aus den Erfolgen der SG. „Er ist ein wichtiger Spieler für uns, aber wir werden auch wieder einen wichtigen verpflichten“, ist sich Storm sicher. Diese wie alle weiteren sportlichen Entscheidungen liegen allerdings bei Kent-Harry Andersson. Der Schwede, der „das ganz starke Spiel“ Flensburgs aus dem Dezember wegen Verletzungen umstrukturieren musste, hofft für das heutige erste Halbfinale auf Kapitän Sören Stryger sowie Spielmacher Christian Berge. Beide Leistungsträger sind angeschlagen und mühen sich langsam zurück ins Team.

Für Storm ist Andersson der wichtigste Grund für die Flensburger Hoffnungen. „Der Trainer trägt mit seiner Ausgeglichenheit und inneren Ruhe dazu bei, dass das Team viel entschlossener zu Werke gehen kann“, sagt er. In Andersson hat Flensburg den Psychiater gefunden, den die taz schon vor Jahren empfohlen hatte, als sie sich dem Vizesyndrom der Flensburger widmete.

Ob dieses Syndrom mit dem bislang erfolgreichen Auftreten der SG langfristig behoben werden kann, wird mancherorts bezweifelt. Flensburg sei auf dem Höhepunkt, während andere Teams wie Lemgo und Kiel sich in einem Umbruch befänden, lautet eine These. Doch auch davon lässt sich Storm nicht aus der Ruhe bringen. „Das Gerede vom Umbruch ist doch eine Schutzbehauptung. Ich habe schon vor der Saison gesagt, dass Kiel wieder um den Meistertitel mitspielen wird. Wir werden auch im nächsten Jahr keinen Umbruch haben, weil wir kontinuierlich etwas aufgebaut haben.“ Mindestens einen der drei möglichen Titel würde er sich dennoch ganz gern schon in dieser Saison sichern.