Individualisten vereint

Was bleibt, sind Gebrauchsanleitungen: Die Ausstellung „PhoenixArt 2003: Erró, Fahlström, Köpcke, Lebel“ hängt Reste dessen, was ursprünglich performativ gemeint war, an weiße Wände

von HAJO SCHIFF

Mao wandelt über den Markusplatz, Adenauer und Hitler treffen sich am Mercedes, Markenzeichen von Esso und LSD werben für eine Abfüllung: Harburg hat deutlich gewonnen, seit die Phöenix Kulturstiftung jährlich eine große Ausstellung in der alten Gummifabrik zeigt. Um die Sammlung aktueller Kunst Harald Falckenbergs inszeniert jedes Jahr ein anderer Kurator eine besondere Präsentation.

Für 2003 hat Claus Mewes vom Kunsthaus für die Schau unter dem Titel PhoenixArt 2003: Erró, Fahlström, Köpcke, Lebel Arbeiten von vier Individualisten versammelt, deren Kunst in der Herleitung aus der Collage und ihrem politischen Ansatz vergleichbar ist. Zwei von ihnen hätten dieses Jahr ihren 75. Geburtstag feiern können: Öyvind Fahlström und Arthur Köpcke sind 1928 geboren, der später meist in New York lebende Schwede in São Paulo und der 1958 nach Kopenhagen gezogene Wahldäne in Hamburg-Altona. Beide starben jedoch schon vor Vollendung des 50. Lebensjahres. Die anderen in dem Quartett sind der Franzose Jan-Jaques Lebel, 1936 geboren, und der 1932 geborene Gudmundur Gudmundsson, der unter dem Künstlernamen Erró in Paris lebt.

In den internationalen Biographien dieser Künstler zwischen Skandinavien und Paris, zwischen New York und dem Süden finden sich so viele Aktionen, Happenings von Fluxus bis zum Pariser Mai, dass es seltsam erscheint, die Kunstobjekte nun einfach an weißer Wand hängen zu sehen. Doch Claus Mewes fand, der politische Kontext einer Zeit, in der das – 1960 auf Lebels Anregung von einem Künstlerkollektiv gemalte – Bild Grand Tableau Antifasciste Collectiv in Mailand beschlagnahmt wurde und 24 Jahre in Polizeigewahrsam blieb, ließe sich mit den Mitteln einer Ausstellung nicht nachstellen.

So bleibt die Lust an der Provokation wortwörtlich im Rahmen: Sie lässt sich in Foto- und Filmdokumenten erahnen, manifestiert sich in sexuellen Tabubrüchen und den Aufforderungen der Bildtafeln, mitzumachen. Denn immer wieder enthalten die Arbeiten reichlich Text, manche sind geradezu Anleitungen für eigene Aktivitäten wie die Reading-Work-Pieces von Arthur Köpcke. „Was haben die Bildermacher und die Kunstkritiker zu verstecken, warum sind ihre Handlungen so blödsinnig?“, wird da schon einmal aus dem Bild heraus gefragt. Diesen Künstlern ist klar, dass eine Tafel nicht ausreicht, die Welt zu erklären: Sie collagieren und addieren die Gegensätze zu visuellen Wimmelbildern, erläutern ihre Weltsysteme in verblassenden Wortkaskaden und binden den Kunstnutzer in den Prozess ein.

Dass es dafür – von großer Malerei bis zur Mitmachaktion – unterschiedliche Formen gibt, hat zu bisher getrennten Zuordnungen geführt: Fahlström wurde wegen seiner farbigen Bausteine und Erró aufgrund seiner Affinität zur Bildwelt des Comics eher der Popart zugerechnet, Lebel gilt als erster europäischer Happening-Künstler und Köpcke als Mitglied des engeren Kreises von Fluxus, der sich vom publikumsagitierenden Happening immer abgegrenzt hat. Es ist eine Leistung dieser Ausstellung, solche Kategorien aufzulösen.

PhoenixArt 2003: Erró, Fahlström, Köpcke, Lebel; Phoenix Kulturstiftung / Sammlung Falckenberg, Wilstorfer Straße 71, Tor 2 (Harburg). Besuche und Führungen nur nach Vereinbarung unter Tel. 32 50 67 62 (Bürozeit: Di–Fr 14–18 Uhr). Laufzeit der Ausstellung bis 15. Februar 2004