Neustart mit alten Socken

Der Abstieg des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli ist seit diesem Spieltag nur noch theoretisch zu vermeiden. Das sieht auch Club-Präsident Corny Littmann im taz-Interview so. Trainer Gerber soll als Trainer in der Regionalliga weitermachen

Interview: OKE GÖTTLICH

taz: Herr Littmann, mit dem Sieg des Mitkonkurrenten Ahlen am Montag besteht kaum noch Hoffnung für den FC St. Pauli, in der Zweiten Bundesliga zu verbleiben. Überwiegt die Enttäuschung oder sind Sie froh, vor vollendeten Tatsachen zu stehen?

Corny Littmann: Es ist ein ambivalentes Gefühl. Natürlich bin ich enttäuscht, dass wir absteigen. Auf der anderen Seite bin ich erleichtert, nun mit gebündelter Kraft aller Beteiligten in eine Richtung zu planen.

Um überhaupt planen zu können, muss die Stadt erst entscheiden, ob sie den löchrigen Sparstrumpf des Vereins stopft.

Sie können sicher sein, das wir heute ein umfassendes Sanierungskonzept vorlegen werden, um das Risiko für die Stadt Hamburg sehr gering zu halten, dass wir die Hilfe überhaupt in Anspruch nehmen werden. Dafür haben einige führende Vereinsmitglieder mit ihrem Privatvermögen gebürgt.

Das heißt, Sie müssen in die Privatschatulle greifen, um die Liquiditätslücke, die durch Fehler anderer entstand, zu schließen?

Ja, es handelt sich um Versäumnisse aus der Vergangenheit, die das jetzige Präsidium nicht zu verantworten hat. Trotzdem werden wir uns künftig zur Verantwortung ziehen lassen.

Auch für Verträge, die lange vor Ihrer Amtszeit ausgehandelt wurden und den Verein finanziell belasten könnten?

Auch diesen Vertragslaufzeiten und Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit werden wir uns stellen.

Das heißt, Sie gehen mit allen bestehenden Verträgen in die Regionalliga?

Ja. Mit der Einschränkung, dass wir um die Verschlankung der Abteilungen Vermarktung und Verwaltung nicht herumkommen werden. Konkret bedeutet dies die Beendigung befristeter Arbeitsverträge.

Aber drei Geschäftsführer will man sich in der Regionalliga dennoch leisten?

Ja. Aber nicht in dem Umfang und den bisherigen Gehältern.

Das klingt alles mehr nach einem Neustart mit Altlasten?

Bei diesem Neustart kann und muss es um die vereinsinterne Struktur gehen.

Die Hoffnung scheinen aber viele aufgegeben zu haben.

Es wird funktionieren, wenn die verschiedenen Ebenen des Vereins miteinander arbeiten. Zu allererst gilt dies für den sportlichen Bereich, zumal der komplette jetzige Kader kaum zu halten sein wird.

Wie viele Spieler können gehalten werden?

Ich glaube, dass das Transfergeschäft für die nächste Saison dramatisch zurückgehen wird.

Das ist doch nicht nur positiv für den FC St. Pauli?

In erster Linie schon. Das Angebot an Spielern wird wesentlich höher sein als die Nachfrage. Auf der anderen Seite wird es für uns nicht einfach, Spieler, von denen wir uns aus finanziellen Gründen trennen müssen, verkaufen zu können.

Glauben Sie an den Neustart mit der alten sportlichen Führung?

Ich gehe nach wie vor davon aus, dass Trainer Franz Gerber zu einem sportlichen Neustart wild entschlossen ist.

Auch wenn seine finanziellen Forderungen kaum ermöglicht werden können?

Bei Vertragsabschluss zum Jahreswechsel war es Franz Gerbers ausdrücklicher Wunsch, einen möglichen Abstieg aus der Zweiten Liga als Trainer in der Regionalliga zu reparieren.

Hat Gerber bereits an einem sportlichen Konzept gearbeitet?

Die Verpflichtungen aus dem Nachwuchsbereich haben in Absprache stattgefunden. Seine Wunschliste aus dem Lizenzkader wird jetzt abgearbeitet.

Die dürfte kaum realisierbar sein

Deswegen ist es ja auch eine Wunschliste. Diese ist sehr umfänglich und wird jetzt nach Prioritäten sortiert und auf ihre Realisierbarkeit überprüft.

Manche wollen den Eindruck gewonnen haben, dass Gerber gar kein Interesse daran hat, den Abstieg zu reparieren. Außerdem soll er bei TeBe Berlin im Gespräch sein.

Ich habe den Trainer in vielen Gemütslagen erlebt. Dennoch gehe ich fest davon aus, dass die getroffene Abmachung gilt. Zurzeit habe ich noch nichts Gegenteiliges gehört. Es herrscht kein Zweifel an der hervorragenden Arbeit von Franz Gerber.

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