Keine Knasttür für den witzigen Modeladen

Der Verkauf von Zellentüren aus Hamburgs ehemaligem Zuchthaus und KZ Fuhlsbüttel ist gestoppt. Das Gedenken an Opfer der Nazi-Diktatur darf nicht geschädigt werden, entschied der grüne Justizsenator Steffen

Bereits wenige Wochen nach Hitlers Machtergreifung wurde in der alten Haftanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel ein Konzentrationslager eingerichtet. Das anfangs von der SS und SA, ab 1936 von der Gestapo geleitete „Kola-Fu“ mutierte schnell zu einem „Inbegriff für Grauen, Leiden und Sterben“, heißt es in einem Dokumentationsband, den die Bundeszentrale für politische Bildung herausgibt. Bis Kriegsende kamen 250 Frauen und Männer in dem KZ um – sie starben an den Folgen von Folter, wurden in den Tod getrieben oder ermordet.

Zu den Inhaftierten gehörten Juden, Widerstandskämpfer, wie etwa der Hamburger Zweig der Weißen Rose, Sinti, Homosexuelle und später auch „Swing-Jungendliche“. Für viele war „Kola-Fu“ eine Zwischenstation: auf dem Weg in andere Konzentrationslager. Das galt auch für die Strafanstalten, die der Justiz unterstanden. Mehr als 100 „Sicherungsverwahrte“ und Gefangene des Zuchthauses wurden ab 1942 zwecks „Vernichtung durch Arbeit“ deportiert.

In den letzten Kriegsmonaten nutzte die SS schließlich einen Teil des Zuchthauses als Außenstelle des Konzentrationslagers Neuengamme. Dort wurden mehr als 200 Gefangene Opfer der Nazi-Gräuel.

Im Torgebäude der Strafanstalt gemahnt seit rund 20 Jahren eine Gedenkstätte an diese Zeit. MAP

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Der Verkauf von Zellentüren aus dem Gefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel ist am Sonnabend beendet worden. „Ich habe den Verkauf der Gefängnistüren mit sofortiger Wirkung gestoppt“, teilte Hamburgs grüner Justizsenator Till Steffen am Sonnabend mit. „Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus darf nicht geschädigt werden.“

Ausdrücklich bezog sich Steffen dabei auf Berichte der taz hamburg und anderer Medien vom Sonnabend. Die dadurch entstandene öffentliche Diskussion habe deutlich gezeigt, dass die Gefahr bestehe, dass NS-Opfer oder deren Angehörige sich verunglimpft fühlten. Ein Teil des Gefängnisses war von 1933 an von den Nationalsozialisten auch als Gestapo-Gefängnis und als Außenstelle des Konzentrationslagers Neuengamme in den Vier- und Marschlanden genutzt worden.

Den bisherigen Käufern solle ermöglicht werden, schon abgeschlossene Verträge rückgängig zu machen, versicherte der Justizsenator. Der bislang prominenteste Erwerber ist der Schauspieler und berühmteste TV-Polizist Hamburgs Jan Fedder („Großstadtrevier“). Er ließ am Sonntag erklären, die Tür wieder zurückzugeben, wenn sich herausstellen sollte, dass Unschuldige in der Zelle gesessen hätten: „Von der KZ-Sache wusste ich nichts.“ Fedder hatte am Freitag für 397 Euro eine Zellentür erstanden, die auf der Innenseite mit Eisen beschlagen ist, ein Guckloch und mit Durchreiche für Essen hat. Er wolle das 85 Kilogramm schwere Stück in sein Bauernhaus mitnehmen, hatte der Schauspieler gesagt: „Vielleicht baue ich sie dort ein oder ich bastle einen Tisch daraus.“

Die Haftanstalt hatte insgesamt 50 Zellentüren, die bei der Errichtung des Gefängnisses 1906 eingebaut worden waren, zum Verkauf angeboten. 20 Prozent des Erlöses sollten an die Opferschutzorganisation „Weißer Ring“ gehen. Auf der Homepage www.santa-fu.de wurde die vielseitige Verwendbarkeit der Türen angepriesen: „Ob für die kreative Werkstatt, den witzigen Modeladen, den coolen Partykeller oder die verrückte Bar – wir beraten Sie mit Phantasie und Ideen“, wurde dort versprochen. Das Angebot ist bereits am Sonnabend von der Webseite gelöscht worden.

„Ich bin da zu oberflächlich gewesen“, räumt Holger Güssefeld ein, „das muss ich auf meine Kappe nehmen.“ Der Geschäftsführer der Marketingagentur „Somethink“ hatte die Vermarktung der Türen übernommen. Die Agentur bietet in Zusammenarbeit mit der Hamburger Justizbehörde über das Internet von Häftlingen hergestellte Produkte wie Shirts, Trikots oder Kochbücher als „Heiße Ware aus dem Knast“ an. Die Zellentüren aber „sind schwer von Schicksal“, sagt Güssefeld jetzt: „Da haben wir den ernsthaften Kontext nicht bedacht. Es tut mir außerordentlich leid.“

Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, begrüßte Steffens rasche Entscheidung: „Die Strafanstalten Fuhlsbüttel waren Teil des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates“, rief sie in Erinnerung. Schneider hatte den Vorgang am Freitag durch eine parlamentarische Anfrage an den schwarz-grünen Senat publik gemacht. Der Vorfall zeige, dass die Aufarbeitung der NS-Justizgeschichte nach wie vor eine dringende Aufgabe sei. Nach Ansicht Schneiders solle diese „gemeinsam mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und anderen Institutionen vorangetrieben werden“.