Ermittlungen gegen G-8-Aktivisten eingestellt

Genua, 22. 7. 2001: In der Scuola Diaz in der italienischen Stadt gab es keinen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“

ROM taz ■ Einstellung aller Verfahren, weil die Angeschuldigten die ihnen vorgeworfenen Taten nicht begangen haben: Dies ist der Tenor des Beschlusses der Genueser Untersuchungsrichterin Anna Ivaldi zu den Ermittlungen gegen die 93 am 22. Juli 2001 bei dem Sturm auf die Scuola Diaz Festgenommenen. Bei ihrem nächtlichen Einsatz zum Abschluss des G-8-Gewaltgipfels von Genua hatten Polizeikräfte damals zunächst die meisten in der Schule Übernachtenden zusammengeschlagen; die Bilanz waren mehr als 60 Verletzte, großteils mit Knochenbrüchen, von denen drei tagelang im Koma lagen. Anschließend kamen alle unter dem Vorwurf in Haft, zu den Randalierern gehört und auch in der Schule selbst Widerstand geleistet zu haben. Als angeblichen Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung drohten ihnen mehrjährige Haftstrafen.

Die Anschuldigung, in der Schule seien Black Blocker gestellt worden, ist längst vom Tisch. Jetzt hatte die Staatsanwaltschaft auch die Verfahrenseinstellung im letzten Punkt – Widerstand gegen die Staatsgewalt – gefordert, da die Widerstandshandlungen nicht einzelnen Demonstranten zuzuordnen seien. Der Beschluss der Untersuchungsrichterin geht darüber weit hinaus: Sie stellt fest, dass die vorgeblichen Widerstandsakte gegen die Polizei gar nicht stattgefunden haben, sondern dass in der Scuola Diaz wehrlose Personen schlicht und einfach zusammengeknüppelt wurden. Bezeichnend sei, dass die Erzählungen der Opfer von Beginn an bis in Details übereinstimmten, während die angehörten Polizisten eine Fülle von widersprüchlichen Auskünften gegeben hätten. Bezeichnend sei auch, dass die Polizei als „Waffenfunde“ aus der Schule entweder harmlose Objekte wie Thermosflaschen und Schweizer Messer präsentiert habe – oder aber Objekte, die sie selbst ins Gebäude geschmuggelt hatte (zwei Mollis).

Während die damals in der Scuola Diaz verhafteten G-8-Gegner – unter ihnen 78 Ausländer – voll rehabilitiert sind, verschlechtert sich die Position der am Einsatz beteiligten Polizisten. Ein laufendes Ermittlungsverfahren versucht zu klären, wer in der nationalen Polizeiführung die Verantwortung für den auf Kriminalisierung des gesamten Anti-G-8-Protestes zielenden Sturm und die Gewaltorgie in der Schule trug. MICHAEL BRAUN

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