Späte Rache an Rückkehrer Heynckes

Für Trainer Jupp Heynckes endet die Rückkehr an seiner ehemaligen Wirkungsstätte doppelt bitter: Erstmals nach zehn Spielen verliert seine Mannschaft. Dazu muss Heynckes sich mit pöbelnden Fans auseinander setzen

FRANKFURT taz ■ Glücklich der, der eine gute Erinnerung an vergangene Tage hat. Der Trainer des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04, Jupp Heynckes, hat an seine Zeit bei der Frankfurter Eintracht keine guten Erinnerungen. Von Sommer 1994 bis zum 31. März 1995 war Heynckes Trainer der Adlerträger.

Ein 0:3 im Waldstadion – ausgerechnet gegen Schalke – war damals der Anlass für die Entlassung des einstigen Nationalspielers, der zuvor die Eintracht-Stars Yeboah, Okocha und Gaudino aus dem Kader warf, was ihm selbst gemäßigte Anhänger des Traditionsklubs bis heute nicht verzeihen. Als er letzten Samstag, nun als Trainer der „Knappen“, zum Bundesligaspiel an die alte Wirkungsstätte zurückkehrte, empfing ihn tiefe Verachtung. Neunzig lange Minuten ergossen sich Hass-Tiraden über das Haupt des 58-Jährigen. Der Spott der Eintracht-Fans sei ihm egal, schließlich sei er Profi, erklärte Heynckes. Vielmehr ärgere er sich über die ernüchternde 0:3 Niederlage seiner Mannschaft, ließ Heynckes wissen.

Aus einem anderen Holz ist da Rudi Assauer geschnitzt. In der Halbzeitpause, auf dem Weg in die Kabine, ließ sich der Schalker Manager provozieren und zeigte einigen Krakelern im Frankfurter Publikum den so genannten Stinkefinger. „Ich lass mich doch nicht auf das Übelste beleidigen“, meinte der erregte Fußball-Macho, der zudem die Leistung der Schalker unbarmherzig „als eine einzige Katastrophe“ bezeichnete. In seiner Art und Weise erinnerte der Auftritt der ganz in Weiß angetretenen Königsblauen tatsächlich an das fragwürdige Gekicke aus der Vorrunde. „Dieses Spiel war ein Rückschritt für die Mannschaft und für mich“, gab Heynckes zu.

Zehn Spiele waren sie ungeschlagen und schlichen sich so auf Sichtweite an die Plätze heran, die die direkte Qualifikation für den Uefa-Cup bedeuten. Ganz große Optimisten im Umfeld des Kuzorra-Klubs träumten gar schon von der Champions-League. Daraus wird nichts. Sven Vermant, einer der wenigen, der einen Pass zum eigenen Mitspieler zu bringen vermochte, meinte dann auch: „Nach so einem Spiel muss sich jeder fragen: Was war das eigentlich?“

Ja, Schalke war chancenlos gegen eine in der zweiten Halbzeit formidable Eintracht, die beim Verlassen eines Abstiegsrangs „ein schönes Erlebnis feierte“, wie Willi Reimann, ihr Trainer, erfreut feststellte. Nach dem Führungstor (57.) des aufgeweckten Ioannis Amanatidis brachen bei den Ersatzgeschwächten aus dem Ruhrgebiet alle Dämme. Es war das erste Schalker Gegentor im Jahre 2004. „Wenn du ein Tor kassierst, darfst du nicht so aufmachen“, meinte Vermant zu Recht. Das 2:0 durch Skela nach einem Konter in der 77. Minute und das 3:0 durch einen Kopfball von Eintracht-Kapitän Schur (81.) schraubten das Ergebnis in eine angemessene Höhe.

„Wir konnten den Ausfall von fünf Stammspielern heute nicht kompensieren“, analysierte Heynckes, der allerdings den guten Rost-Vertreter Volkan Ünlü nicht kritisieren wollte, auch wenn der Torwart bei Schurs Treffer nicht fehlerlos blieb. Das Fehlen wichtiger Spieler verhalf dem ebenfalls erst 21jährigen Fabian Lamotte zu seinem Einstand in der ersten Mannschaft. Vor dem Abendessen am Freitag habe ihn Heynckes informiert, sagte der Rechtsverteidiger. Der junge Mann merkte selbstkritisch an: „Es gab schon bessere Debüts.“ Trotzdem wird der Fabian, der vom TuS Hesperinghausen zu den Schalkern stieß, diesen Tag wohl nie vergessen. Ganz im Gegensatz zu seinem Trainer. Ob er noch an seine Frankfurter Zeit zurückdenke, wurde Heynckes gefragt. „Nein“, sagte der weitgereiste Mann nur. Die Rückkehr vom 14. März 2004 wird in den Memoiren des Jupp Heynckes wohl auch keine Rolle spielen. Die Fans der Eintracht aber erinnern sich gerne an diesen Tag zurück. TOBIAS SCHÄCHTER