Aus der Krise gekegelt

Bayer Leverkusen besiegt ohne den zuletzt kritisierten Jens Nowotny den VfL Wolfsburg und beendet seinen Negativlauf. Initialzündung war ein spontanes Mannschaftskegeln

AUS LEVERKUSEN ERIK EGGERS

Irgendwann wird Lucio, wenn er nach der großen Karriere in seine Heimat zurückkehrt, von wundersamen Dingen erzählen, die ihm im fernen Europa passierten. Er wird berichten über die Tücken des Profifußballs und wie er schon in jungen Jahren das Champions League-Finale im legendären Hampden-Park zu Glasgow erreichte. Am meisten werden sich die Zuhörer über diesen seltsamen Trainer amüsieren, den Lucio damals bei Bayer Leverkusen besaß. Diesen knorrigen Klaus Augenthaler, dessen niederbayrischen Dialekt sogar manchmal die Einheimischen nicht verstanden. Und um die ganze Skurrilität des Coaches verständlich zu machen, wird Lucio von der Geschichte berichten, die sich zutrug, bevor Bayer im März ein Team aus Wolfsburg mit 4:1 bezwang – nach sechs sieglosen Spielen.

„Wir saßen schon umgezogen in der Spielerkabine und wollten auf den Trainingsplatz gehen“, wird Lucio schildern, „da kam Augenthaler und ordnete an, dass wir uns wieder umziehen sollten.“ Das taten sie, und die Mannschaft wurde in einen merkwürdigen Raum geführt, in dem in einiger Entfernung neun Objekte standen, die seine deutschen Mitspieler „Kegel“ nannten. „Als ich sah, wie mein Mitspieler Daniel Bierofka eine Kugel nahm und diese per Hand auf die Bahn Richtung Kegel schleuderte, war ich sehr erleichtert“, wird Lucio dann lächelnd berichten, „denn ich dachte, ich sollte die Kugel mit meinen Fuß dorthin schießen.“ Aber so hart sei die Strafe für die Niederlagenserie dann doch nicht gewesen. Ach ja, insgesamt hätten sie sogar viel Spaß gehabt, obwohl dieses Spiel namens Kegeln noch etwas sehr Bizarres an sich hätte und nur von merkwürdigen Deutschen ausgeübt werde.

Sogar Jörg Butt muss über diese Story vom Donnerstag grinsen, obwohl er, der aus dem Oldenburgischen kommt, die Dinge ansonsten eher staubtrocken kommentiert. „Vielleicht war das ein Mosaikstein“, sagt der Torwart Leverkusens. Und erzählt, dass drei Mannschaftsmitglieder sich sogar einmal trainingsfrei erkegelt hätten: Teddy Lucic, Radoslaw Kaluzny und Franca (!). Überhaupt gibt sich Butt sehr kämpferisch nach diesem ersten Leverkusener Sieg in der Rückrunde, der Bayer drei Punkte Vorsprung auf Platz 6 bringt. „Die Ausgangsposition ist immer noch sehr gut“, sagt Butt.

Nur bei einem Kapitel, das dieses Spiel weiter fortschrieb, verfliegt bei Butt die gute Laune. Es geht um Innenverteidiger Jens Nowotny, seinen Freund, der vom Trainer aus der Mannschaft genommen. Nowotny-Ersatz Juan hatte 80 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen. Auch die Mannschaft hatte gekämpft und gegrätscht wie noch nie in der Rückrunde. Sie wollte dieses Spiel unbedingt gewinnen. Das provoziert Fragen. „Mit Jens hätten wir auch gewonnen“, entgegnet Butt. Und wenn tatsächlich Teile der Mannschaft ihren Einsatzwillen an der Beteiligung Nowotnys festmachten, „wäre das eine Riesensauerei“, will Butt daran nicht glauben.

Auch Augenthaler reagiert genervt auf dieses Thema, das die Medien die letzten Wochen stark beschäftigt hat. „Das ist hier nicht der FC Nowotny“, sagt der Trainer barsch. Er freue sich auf den „Konkurrenzkampf“. Außerdem wisse jeder, dass es im Fußball schnell gehen könne. Soll heißen: Nowotny wird nicht automatisch wieder in das Team zurückkehren, der Kapitän muss fighten. Was die Sache noch delikater macht: Vor dem Spiel hatte Augenthaler die Fortschritte eines anderen Innenverteidigers sehr gelobt: Jan-Ingwer Callsen-Bracker ist 19 Jahre alt, bisher aber ohne Bundesligaspiel. Am Samstag lief er sich 40 Minuten warm. Neben Nowotny, der von den Fans gefeiert wurde.

Dass trotz des deutlichen Sieges viele Fehler im Mannschaftsgefüge zu beobachten waren, hat wohl Augenthaler registriert. Vor allem die Außenverteidiger Baltisch und Placente wirkten überfordert, nicht nur bei den Gegentoren. Aber der Trainer wollte nicht meckern an diesem Tag. Seine größte Sorge lautete deshalb: „Hoffentlich wollen die jetzt nicht jeden Donnerstag zum Kegeln.“ Lucios Kommentar dazu ist nicht überliefert.