Das verspätete Mahnmal

Seit den 1980ern geplant, wurde gestern in Gevelsberg eine Stele zum Gedenken an die NS-Opfer der Stadt eingeweiht. Finanziert wurde das Denkmal gegen das Vergessen allein aus Privatspenden

„Wir sehen das Mahnmal nicht als Anklage, sondern als Hindernis gegen das Verdrängen.“

AUS GEVELSBERGSVEN PRANGE

„An Händen und Füßen gefesselt wurde eine Stange unter den Kniekehlen durchgezogen, dann prügelten die auf mich ein.“ Paul Lücks Erinnerungen an das Gestapo-Gefängnis Dortmund sind lange wach geblieben. Vielleicht hat er deshalb immer wieder gespendet. Gespendet für ein Mahnmal, das in Gevelsberg an die Opfer des NS-Regimes erinnern soll.

Vor zwei Jahren ist Paul Lück gestorben. Erst gestern geschah, wofür sich der Ex-Widerstandskämpfer bis zu seinem Tod eingesetzt hat. Antifa und Stadtspitze haben auf dem Rathausvorplatz eine Stele der Bildhauerin Ulle Hees eingeweiht – zum Gedenken an die über 200 Nazi-Opfer der 35.000-Einwohner-Stadt im Ennepe-Ruhr-Kreis. Dabei wurden Erinnerungen derer verlesen, die unter der Knute des Nazi-Regimes gelitten haben. Paul Lück war einer von ihnen.

So sehr von gegenseitiger Zufriedenheit geprägt wie gestern war das Verhältnis zwischen Antifa und Stadt in der Vergangenheit nicht immer. Die Idee für das Mahnmal ist nicht neu. „Seit etwa 15 Jahren haben wir gesammelt“, sagt Antifa-Sprecher Thomas Scherffig. Ursprünglich sollte die Skulptur Ende der 80er Jahre für die etwa 40 aus der Stadt deportierten Sinti und Roma errichtet werden. Die Bronzeskulptur hätte seinerzeit 30.000 Mark gekostet. Aus Privatspenden kam das Geld nicht zusammen.

Die Parteien im SPD-geführten Stadtrat fanden die Idee zwar ganz toll, verweigerten aber jede finanzielle Beteiligung aus dem Stadtsäckel. “Also mussten wir weitersammeln“, erinnert sich Scherffig. Bis letzten Herbst hat das gedauert. Da waren 10.000 Euro an Spenden und Zinsen zusammen. Für eine Stahl-Skulptur reichte das.

Die Stadt fand die Idee immer noch prima, hatte aber immer noch keine Haushaltsmittel über. Dafür stellte sie den Rathausplatz als Standort zur Verfügung. Das Mahnmal wurde auf alle Opfer der Nazis ausgeweitet. „So mitten in der Stadt kann man nicht eine Gruppe heraus picken“, fanden Antifa und Stadt unisono.

Ulle Hees hat daraufhin eine Stele entworfen, die gleichermaßen Mahnung wie Versöhnung symbolisiert. Selbst gibt sie sich aber nicht so versöhnlich. Und kritisiert, „dass diese Stadt kein bisschen Geld dazu gegeben hat.“ Bei der Antifa sieht man das inzwischen entspannter. „Immerhin hat sich die Stadt beim Aufbau beteiligt“, findet Thomas Scherffig. Die Technischen Betriebe Gevelsbergs hatten die Stahlfigur in der Stadt aufgestellt.

Lob kam gestern auch vom Landesverband der Sinti und Roma. Das Gevelsberger Denkmal ist eines von ganz wenigen in NRW, die ausdrücklich auch den Opfern unter diesen gewidmet ist. Deren Landesverbandschef Roman Franz zeigte sich dementsprechend versöhnlich: „Wir sehen das Mahnmal nicht als Anklage sondern als Hindernis gegen das Vergessen und Verdrängen.“ Bei den Gevelsbergern kam das gestern gut an. Etwa 200 verfolgten die Einweihung.