Quasi entschieden

Die SG Flensburg-Handewitt gewinnt das erste Halbfinale in der Handball-Champions League gegen den SC Magdeburg mit 30:20

AUS FLENSBURG OKE GÖTTLICH

Die Zeit war reif für ein spitzbübisches Lächeln, und dass der Flensburger Manager Thorsten Storm dabei den neunmalklugen Gesichtsausdruck des jungenhaften Zauberlehrlings Harry Potter annahm, konnte ihm nach dem eindrucksvoll hohen 30:20 (15:11)-Erfolg gegen den SC Magdeburg im ersten Champions League-Halbfinale niemand übel nehmen. Es war der richtige Zeitpunkt, um sich über jene Äußerungen lustig zu machen, die in der zurückliegenden Woche den Tabellenführer der Handball-Bundesliga aus Flensburg verunsichern sollten.

Besonders seinem Lehrmeister Uwe Schwenker vom ewigen Rivalen THW Kiel gegenüber, nahm sich der vor knapp zwei Jahren nach Flensburg gewechselte Storm genüsslich einige Pointen heraus. „Ich dachte, als Versicherungsmakler äußert er sich nur, wenn er sich seiner Sache sehr sicher ist“, wunderte sich Storm nach den jüngsten Erfolgen der Kieler über die Sticheleien Schwenkers in Richtung Flensburg. „Dass Magdeburg und Flensburg uns im Rückspiegel sehen können, finde ich sehr gut, besonders unsere nördlichen Freunde kommen damit ja nicht besonders gut klar“, wollte der Kieler Manager und Versicherungsverkäufer Verunsicherung bei den in dieser Saison bisher ungewohnt souveränen Flensburgern provozieren, die in den letzten 12 Jahren elf Vizetitel gesammelt hatten. Der Frage, ob er denn seine Versicherungen noch bei Uwe Schwenker kaufen würde, wich Storm geschickt aus. „Insgesamt ist es doch schön, dass der große THW mittlerweile ständig nach Flensburg blicken muss, wenn es um Titel geht.“

So gesehen war der Erfolg im Champions-League-Halbfinale gegen Magdeburg mit zehn Toren Differenz nicht nur ein großer Wurf in Richtung Finale, sondern bewies auch eine gewisse Resistenz gegenüber äußeren Störfaktoren, für die Flensburg in den letzten Jahren immer besonders anfällig gewesen war. Trotz zweier Niederlagen mit insgesamt 17 Toren Differenz gegen Magdeburg in der Bundesliga spielte die SG Flensburg-Handewitt befreit auf – anstatt vor dieser erdrückenden Statistik zu erstarren. Gelungen ist das sogar ohne Spielmacher Christian Berge, der erst zum Rückspiel wieder einsetzbar ist. Dafür lieferte der wieder genesene Flensburger Kapitän Sören Stryger „ein überragendes Spiel“ ab, wie ihm Trainer Kent-Harry Andersson attestierte. Gemeinsam mit den beiden Flensburger Torhütern Jan Holpert und Dan Beutler, die den Magdeburger Angriff verzweifeln ließen, sorgte er für das „Scheiß-Ergebnis“, über das sich Magdeburgs Stefan Kretzschmar später aufregte. Nur vermeintlich lockerer wirkte auch das Fazit des Magdeburger Trainers Alfred Gislason. „Am besten fahren wir jetzt eine Woche nach Mallorca“, riet er seinem Team zu Erholung. Denn: „Unsere Chancen auf ein Weiterkommen liegen bei zehn Prozent. Wir sind quasi ausgeschieden.“

Die lautstarke Atmosphäre in der Flensburger Campushalle, die sich vor allem gegen den Magdeburger Abati richtete, wollten die Magdeburger nicht als Ausrede gelten lassen. „Niemand ist hier mit einer vernünftigen Einstellung zu Werke gegangen. Niemand hat mit dem anderen gespielt“, beschwerte sich Magdeburgs Bester, Torwart Johannes Bitter, über die Leistung seines Teams. Ihm allein war es zu verdanken, dass Flensburg nicht schon in der ersten Hälfte davongezogen war. Bitter parierte vier Sieben-Meter. Auf der anderen Seite war es ebenfalls der Keeper, der Gislason gleichsam ins Schwärmen und zum Verzweifeln brachte. „So gut habe ich ihn schon lange nicht mehr gesehen“, sagte der Magdeburger zu der starken Leistung von Jan Holpert.

Für das Rückspiel kommenden Sonntag gilt es für Flensburg nun, „nicht zu selbstsicher“ zu werden. Denn, so Stefan Schröder, „das geht immer in die Hose“. Understatement wird auch von seinem schwedischen Trainer und seinen dänischen Kollegen besonders wertgeschätzt. „Das war erst die erste Halbzeit“, stapelte Andersson tief. Und sein Kapitän Sören Stryger setzte noch einen drauf: „Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht mit elf Toren Unterschied in Magdeburg verlieren.“ Er scheint nicht vergessen zu haben, dass die letzte Niederlage mit elf Toren Unterschied erst sechs Monate zurückliegt. Das war allerdings vor eigenem Publikum.