Der „rote“ Kardinal ist tot

Am vergangenen Wochenende verstarb der österreichische Kardinal Franz König im Alter von 98 Jahren in Wien

Pontifex, der Brückenbauer: Auf wenige Menschen mag das lateinische Wort für Priester so zugetroffen haben wie auf den österreichischen Kardinal, der in der Nacht auf Samstag gestorben ist. Franz König war schon als junger Bischof 1952 maßgeblich an der Redaktion des Mariazeller Manifests beteiligt, das nach dem klerikal-faschistischen Regime der 30er-Jahre und dem Zweiten Weltkrieg der Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat den Weg ebnete.

Die katholische Kirche und die Christlich-Soziale Partei, der mit Bundeskanzler Ignaz Seipel mehrere Jahre sogar ein Prälat vorstand, waren in einer unheiligen Allianz gegen Sozialdemokratie und Arbeiterrechte verschworen gewesen.

Erst Franz König, seit 1958 Kardinal, unternahm mit dem Gewerkschaftsführer Franz Olah und später Bundeskanzler Bruno Kreisky (1970–1983), einem Agnostiker, die Versöhnung der Kirche mit der Sozialdemokratie. Viele Konservative haben ihm das nie verziehen, machte er doch die SPÖ auch für bekennende Katholiken wählbar. Der Mann, der eigentlich selbst im Melker Stiftsgymnasium und später an der Universitas Gregoriana in Rom, wo er Philosophie, Theologie und altpersische Religion studierte, als Konservativer erzogen worden war, wurde unversehens zum „roten“ Kardinal. Weltpolitisch bedeutender war aber wohl sein Einsatz für die damals noch isolierten Kirchen in den Ländern jenseits des Eisernen Vorgangs. Ohne seine Vorarbeit hätte wohl der polnische Papst Karol Wojtyła wenig bewegen und schließlich den Umbruch im Osten beschleunigen können.

Auch beim II. Vatikanischen Konzil (1962–1965), das die Kirche modernisierte und die Türen für die Ökumene öffnete, war König schon federführend beteiligt. Als Papst Johannes XXIII. während des Konzils starb, wurde der österreichische Kardinal sogar als einer der Favoriten für dessen Nachfolge gehandelt. Ganz sicher war er beim Konklave 1978, das schließlich den jetzigen Papst wählte, in der engeren Wahl. Von Paul VI. wurde er 1965 zum Leiter des vatikanischen Sekretariates für die Nichtglaubenden ernannt. Diese Funktion, die er im Sinne eines Dialogpartners verstand, übte der Kardinal bis zu seinem 75. Lebensjahr aus.

Über all den internationalen Missionen versäumte es König aber, sich um die eigene Nachfolge als Erzbischof von Wien und Kardinal zu kümmern. Sein Bemühen um innerkirchliche Reformen stoppte der konservative Hanns-Hermann Groer. Dieser wurde zwar unter dem Vorwurf des Missbrauchs von Zöglingen vorzeitig aus dem Amt gehoben, doch die von den Laienverbänden geforderte Anpassung der Kirche an neue gesellschaftliche Gegebenheiten, blieb dennoch aus. König überlebte nicht nur seinen Nachfolger sondern galt zuletzt als nahezu unsterblich. Königs Tod kam daher trotz seines hohen Alters aus heiterem Himmel und löste in allen religiösen wie politischen Lagern echte Betroffenheit aus.

RALF LEONHARD