Kostunica bläst zur Jagd auf Karadžić

Serbische Polizei sucht in Ostbosnien verstärkt nach dem flüchtigen Expolitiker, kann ihn aber nicht finden –Beobachter vermuten nur ein Manöver, um die angedrohten internationalen Sanktionen zu vermeiden

SARAJEWO taz ■ Wieder einmal waren Hunderte von Polizeikräften unterwegs. Doch die Großfahndung nach dem seit neun Jahren untergetauchten mutmaßlichen bosnisch-serbischen Kriegsverbrecher Radovan Karadžić ist auch am vergangenen Samstag erfolglos geblieben. Das Gebiet um die ostbosnische Stadt Bratunac sei von serbisch-bosnischen Polizeikräften durchkämmt worden, sagte ein Polizeisprecher. In der größeren, Serbien nahe gelegenen Stadt Bijeljina waren zudem internationale Truppen und internationale Polizisten am Werk, die offenbar die Grenze zu Serbien abriegelten.

Statt Karadžić zu finden, hat die Polizei bei ihrer Sonderaktion lediglich einige illegale Waffen und Waren beschlagnahmt. Lediglich einige Viehschmuggler sollen ins Netz der Fahnder geraten sein. Waffen dagegen wurden unabhängig von dieser Aktion von internationalen Fahndern gefunden: immerhin 163.000 Schuß Munition, zwei Minenwerfer, 278 Granaten sowie 1.000 Stück 76-mm-Granaten waren nahe der Hauptstadt der bosnisch-serbischen Republik in Bosnien, Banja Luka, versteckt. Der Tipp für die Festnahme Karadžić’ kam offenbar aus Regierungskreisen in Belgrad. Der kranke Karadžić habe sich in Belgrad behandeln lassen und sei auf dem Rückweg nach Bosnien, lautete eine der Informationen, die internationalen Reportern zugespielt wurden.

Aus anderen Quellen in Belgrad geht hervor, die neue Regierung Kostunica habe alle vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesuchten Personen aufgefordert, sich zu stellen. Die Polizei der serbischen Teilrepublik in Bosnien sei daraufhin in Ostbosnien mobilisiert worden, weil man hoffte, Karadžić werde sich eher freiwillig der serbisch-bosnischen Polizei als den internationalen Truppen ergeben.

In Sarajewo sehen die Öffentlichkeit und diplomatische Quellen in der Aktion nur ein Ablenkungsmanöver der bosnischen Serben, um Wirtschaftssanktionen der EU und der USA gegen die Serbenrepublik in Bosnien abzuwenden. Hinzu kommt, dass die Auszahlung von 200 Millionen Euro an Krediten und Aufbauhilfen an die serbische Regierung in Belgrad gestoppt wurde, weil sie nicht mit dem Kriegsverbrechertribunal zusammenarbeiten will.

In der ehemaligen serbischen Extremistenhochburg Pale brachten die internationalen Friedenstruppen Plakate an, die auf den 61. Geburtstag von Ratko Mladić anspielen. Zu einer Abbildung von Handschellen mit einer roten Schleife heißt es: „Ratko, wir haben es nicht vergessen – das einzige Geschenk – bald!“

ERICH RATHFELDER