Madrider Spuren weisen auf al-Qaida

Die spanische Polizei nimmt fünf Verdächtige fest. Videoband mit Bekenntnis zu den Anschlägen durch al-Qaida entdeckt. Parlamentswahlen in Spanien ohne Zwischenfälle. Bundesinnenminister Schily warnt vor neuer Qualität islamistischen Terrors

MADRID/BERLIN taz ■ Nach ersten Festnahmen und einem Bekennervideo verstärken sich die Anzeichen dafür, dass islamistische Terroristen für die Anschläge von Madrid verantwortlich sind. Die spanische Polizei nahm am Samstag in Madrid fünf junge Männer fest. Die drei Marokkaner und zwei Inder sollen die Handys und die dazugehörigen Chipkarten verkauft haben, mit denen die Zeitzünder der 13 Bomben aktiviert wurden, die am Donnerstag in drei Madrider Pendlerzügen deponiert waren.

Bei den Explosionen wurden 200 Menschen getötet. Über 1.500 wurden verletzt, von denen auch gestern noch 252 in den Krankenhäusern der spanischen Hauptstadt behandelt wurden. 19 von ihnen ringen noch immer mit dem Leben. 36 sind sehr schwer verletzt.

Kurz nach den Festnahmen fand die Polizei eine Videokassette. Auf ihr ist ein Mann zu sehen, der sich als „Abu Dujan al-Afghani, militärischer Europasprecher von al-Qaida“ ausgibt. Er charakterisierte das Blutbad von Madrid als „eine Antwort auf eure Zusammenarbeit mit den Verbrechern Bush und seinen Verbündeten“. „Wenn ihr eure Ungerechtigkeit nicht stoppt, wird mehr Blut fließen“, droht er. Die baskische Separatistenorganisation ETA ließ erneut erklären, die Anschläge seien „das Werk einer islamischen Organisation“. Spaniens Innenminister Angel Ácebes nannte ETA-Terroristen erstmals nicht mehr „vorrangige Verdächtige“.

In ganz Europa wurde die Nachricht von einer möglichen Al-Qaida-Täterschaft mit Sorge aufgenommen. Als besonders gefährdet gelten vor allem Großbritannien und Italien. In beiden Ländern wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. In Deutschland werden die Sicherheitsvorkehrungen bei der Bahn hoch gesetzt.

„Wenn sich die These eines solchen Hintergrunds bestätigen sollte, bedeutet das eine neue Qualität des islamistischen Terrorismus in Europa“, bestätigte gestern Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Er kündigte nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in Berlin an, dass er eine Eilkonferenz der EU-Innenminister bei der irischen EU-Präsidentschaft beantragen wird.

Die spanische Polizei untersucht jetzt, wieweit die Festgenommenen in die Anschlagsvorbereitung verstrickt sind. Der Name eines der Marokkaner tauchte nach Angaben französischer Ermittler in abgehörten Gesprächen einer spanischen Al-Qaida-Zelle auf. Gegen drei der Festgenommenen wird nach Angaben des spanischen Innenministers bereits in anderem Zusammenhang wegen Körperverletzung und Beteiligung am Totschlag ermittelt.

Trotz der schweren Anschläge fanden gestern in Spanien die Parlamentswahlen wie vorgesehen statt. Insgesamt waren 34 Millionen Menschen an die Urnen gerufen. Zu Zwischenfällen kam es nicht. Die Wahlbeteiligung lag bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe deutlich höher als bei den letzten Parlamentswahlen. REINER WANDLER