Fußball unterm Hammer

Die Marketingrechte des Fußball-Viertligisten Union Solingen waren im Internet zu ersteigern, dann wurde die Auktion allerdings abgebrochen. Für den Rechteinhaber hat es sich dennoch gelohnt

von TOBIAS SCHÄCHTER

Der Pressesprecher des Internetauktionshauses eBay in Deutschland heißt Joachim Guentert und erzählt gerne Anekdoten. Zum Beispiel die vom Käsebrötchen. Zehn Millionen Euro war ein im Cyber-Basar zur Versteigerung angebotenes Käsebrötchen am Ende wert, bevor die Aktion abgebrochen wurde. Damals berichteten viele überregionale Medien über den Fall. Wie auch, als Fußball-Zweitligist Union Berlin im November beim Heimspiel gegen Frankfurt einen Platz auf der Trainerbank versteigern wollte oder ein Fan der Köpenicker im Februar den eigenen Torwart bei eBay feilbot.

Das aber, was dieser Tage bei der Versteigerung der Marketingrechte des Fußball-Viertligisten Union Solingen über die Pressestelle von eBay hereinbrach, hat Guentert „bisher noch nicht erlebt“. Weit über 200 Anfragen von Presse, Funk und Fernsehen gingen während der Auktion über seinen Schreibtisch. „Wenn eBay dabei, ist steigt halt die Quote“, sagt Guentert und lacht.

Sie tut es auch sehr zur Freude von Olaf Becker, dem Inhaber der Marketingrechte von Union Solingen. Bei über 500.000 Euro stand das von Spaßbietern hochgetriebene Angebot, bevor am letzten Freitag die Versteigerung abgebrochen wurde, die schon zuvor zweimal aus „formaljuristischen Gründen“ (Guentert) unterbrochen war. „Die Auktion hat gezeigt, dass das Angebot zu komplex ist, um es über diese Handelsplattform zu vermarkten“, heißt es nun in der von Becker in Abstimmung mit eBay verfassten Presseerklärung. Dabei gibt Becker unumwunden zu, dass das große Medieninteresse in seinem Kalkül lag. Jetzt, nachdem er die „seriösen von den unseriösen Bietern“ getrennt habe, will er die Rechte direkt verkaufen. Und Becker ist da durchaus optimistisch: „Durch den Medienrummel sind doch einige sehr interessante Bieter aufgetaucht.“

Olaf Becker, 36, ist Inhaber eines EDV-Großhandels. Bis Ende der letzten Saison war er noch Vizepräsident von Union Solingen. Die Marketingrechte am Traditionsklubs aus dem Bergischen Land kaufte Becker, dessen Unternehmen mit Sitz in Hilden 25 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht, im September 1999 – direkt vom Insolvenzverwalter. Wie teuer diese waren, will er nicht verraten, er sagt nur: „Es war ein stolzer Batzen Geld.“ Auf 450.000 Euro schätzt Becker den aktuellen Etat von Union. Wer die Rechte auch immer erwirbt, wird die aktuelle Saisonunterdeckung, die laut Becker bei 120.000 Euro liegen dürfte, ausgleichen müssen. Geht der Verein in die Insolvenz, sind die Marketingrechte nichts mehr wert.

Was aber kann Becker den Interessenten überhaupt anbieten, außer der Übernahme der ausstehenden Spielergehälter? Spenden, Catering und Zuschauereinnahmen bleiben beim Verein. Der Inhaber der Marketingrechte muss versuchen, die Einnahmen durch Bandenwerbung, Vermarktung im Internet, Merchandising und den VIP-Karten-Verkauf zu mehren. Davon bekommen dann der Verein und der Marketingrechteinhaber einen Anteil. Lohnend aber wird das Geschäft wohl erst, wenn Fernsehgelder fließen. 30 Prozent der Fernseheinnahmen, die im Moment in der Regionalliga bei 500.000 Euro liegen, darf sich der Rechteinhaber in die eigene Tasche stecken.

Um Fernsehgelder zu bekommen, müsste Union allerdings erst einmal aufsteigen. Nach dem 2:0-Erfolg am Wochenende gegen Fortuna Köln fehlt aber noch ein Punkt zum Klassenerhalt in der Oberliga Nordrhein. „Klar, man muss angreifen, um wieder dorthin zu kommen, wo wir hingehören“, sagt Becker. Union Solingen, das sind 14 Jahre biedere Zweitliga-Mittelmäßigkeit, von 1975 bis 1989 gehörte die Mannschaft aus der Klingenstadt zum Inventar der Liga. Heute kommen noch 1.800 Zuschauer im Schnitt ins Stadion am Hermann-Löns-Weg und provozieren, wie gegen Viktoria Köln, durch das Bewerfen des Schiedsrichters mit Bierbechern schon einmal einen Spielabbruch.

Olaf Becker scheint so gar nichts mit einem Mäzen alter Prägung gemein zu haben. Mäzenen, wie es zum Beispiel Jean Löhring bei Fortuna Köln war. Der feuerte Trainer schon einmal eigenhändig in der Halbzeitpause, ruinierte sein Unternehmen und sich selbst. Becker sagt: „Ich will mich nicht 20 Stunden damit beschäftigen, wer am Samstag die Würstchen verkauft, oder wer was über wen gesagt hat.“ Vielmehr will Becker mit dem Verkauf der Rechte einen „sauberen Schlussstrich ziehen“.

Wer die neuen Rechte erhält, darauf hat der Verein keinen Einfluss. Becker weiß: „Lehnen sie den Neuen auf einer Mitgliederversammlung ab, wäre der Gegenkandidat die Insolvenz.“ Dann läge Union Solingen wieder unterm Hammer. Diesmal aber nicht bei eBay.