hamburger szene
: Zeitung mal anders

Dass der Zeitungsausträger das Blatt vor die Haustür wirft, klatsch auf den Treppenabsatz, hat mich nie sonderlich gestört. Man kennt sich in unserem kleinen Viertel, keiner klaut dem anderen die Zeitung. Umso schlimmer war’s, als ich neulich aus den Ferien kam. Schon an der Ecke zum Haus ragte, ein zynischer Willkommensgruß, der Wirtschaftsteil der taz aus einem Mülleimer – schräg wie das Heck der Titanic kurz bevor sie in die Tiefe sauste. Und vor der Tür – da lagen die taz-Ausgaben fast zweier Wochen: zerfleddert auf dem Gehweg, graue Pappmaché-Klumpen mit ein paar Rotklecksen im Rinnstein, Zeitungsfetzen unter den Rädern der Autos. Dass sich niemand in meiner Straße darum reißt, die taz zu lesen – geschenkt. Dass sich aber niemand gefunden hat, sie wenigstens aufzulesen – was für eine betrübliche Geschichte.

Ich hätte meinen Job an den Nagel gehängt, wäre nicht noch am selben Tag „Gerechtigkeit geschehen“. In dem kleinen Lokal, abends, wo sich so gut und günstig essen lässt. Bewundernswert schon, wie der Mann den Hut sich neigend abnahm. Oder der lässig-liebenswürdige Ton, in dem er bestellte. Wie deutlich war’s, dass er das Wesentliche im Leben begriffen hatte. Und was für eine Freude, als er die taz aus seiner Tasche zog – und aus der taz den Lokalteil. Dass kurz darauf ein dampfender Teller auf seinen Tisch gestellt wurde – was ging es ihn an. Er las und las. Und lächelte. Als sei er im Begriff, ganz Wesentliches zu verstehen.

MAXIMILIAN PROBST