Lohn der Schattenjahre

René Sommerfeldt kennt noch die dürren Zeiten des deutschen Skilanglaufs, mit viel Streit und wenig Erfolg. Diese Saison beendete der 29-Jährige nun als Bester seiner Zunft mit dem Gesamtweltcup

VON KATHRIN ZEILMANN

Manchmal, wenn René Sommerfeldt zurückdenkt an die Zeit, als er als junger Athlet seine ersten Laufversuche im Weltcup unternahm, dann kommt es ihm beinahe unwirklich vor, dass er jetzt Sieger des Gesamtweltcups der Langläufer ist. „Das ist wie ein Traum. An so was habe ich damals keinen Gedanken verschwendet.“

Sommerfeldt, Andreas Schlütter, der jetzige Bundestrainer Jochen Behle und der mittlerweile nach Spanien abgewanderte Johann Mühlegg bildeten vor Jahren, als der Langlaufsport in Deutschland ein kümmerliches Schattendasein führte, den Kern des Weltcup-Kaders. „Das war alles nicht so optimal damals“, sagt Sommerfeldt heute. Die Allüren Mühleggs – Spiritismus-Vorwürfe und andere Querelen mit den Trainern – seien belastend gewesen. Einen einzigen Techniker habe es nur gegeben, bei Lehrgängen habe man manchmal noch unterhalb von Jugendherbergsstandards wohnen müssen. Aber als Behle seine aktive Laufbahn beendete und eine leitende Funktion bei den Langläufern übernahm, besserte sich vieles: Keine Konkurrenz mehr zwischen den Stützpunkten, individuelles Training für jeden Athleten, Behle selbst wurde die motivierende Leitfigur.

Vorläufiger Höhepunkt dieser positiven Entwicklung, nachdem es schon mehrere WM- und Olympiamedaillen zu bejubeln gab: Sommerfeldt ist der beste Langläufer des Winters 2003/2004. Schon ein Wochenende vor dem Saisonende hatte er sich so weit von den Konkurrenten abgesetzt, dass er nicht mehr einzuholen war. „Ich staune manchmal selbst noch, wie alles geworden ist“, sagt Sommerfeldt.

Einen kurzen Urlaub in der Heimat Oberwiesenthal hatte Behle ihm vor dem letzten Wettkampf gegönnt, zuvor wurde noch nachts in Lahti gefeiert. Manche hielten bis fünf Uhr in der Früh durch. „Ich aber nicht, ich habe dann doch noch ein paar Stunden Schlaf gebraucht“, schmunzelt Sommerfeldt.

Es muss sehr harmonisch zugehen bei den deutschen Langläufern. Sommerfeldt, der auch die Zeiten der bitteren Konkurrenz zwischen Mühlegg und Behle noch kennt, betont deshalb: „Einer der wichtigsten Faktoren unseres Erfolgs ist sicherlich der Teamgeist.“ Beruhigend sei es, wenn man im Falle eigener Schwäche sicher sein könne, dass ein Tobias Angerer, ein Axel Teichmann oder ein Jens Filbrich für gute Resultate sorgt. „Das nimmt den Druck“, betont Sommerfeldt. Und er merkt an: „Dieser Druck zum Beispiel ist schon neu. Früher hat sich keiner für uns interessiert, da war man alleine mit seinen Zielen. Jetzt schauen viele Leute zu, fast alle unsere Rennen sind im TV übertragen worden.“

Was der Gesamtweltcuperfolg abgesehen von sportlichen Meriten noch für ihn bedeutet – neue, lukrative Sponsorenverträge, Prämienzahlungen des Skiverbandes, öffentliche Aufmerksamkeit –, wartet Sommerfeldt ruhig und gelassen ab. „Ich werde mal schauen, was da so kommt.“ Beim Weltcup-Finale in Pragelato wurde René Sommerfeldt am Wochenende als Gesamtsieger geehrt. Weil er ehrgeizig ist, sollte das Abschlussrennen aber kein Schaulaufen werden: „Nur zum Spaß fahre ich da nicht hin. Ich will mich schon noch einmal anstrengen.“ Das tat er am Sonntag beim 30-km-Rennen in überzeugender Manier, als er hinter dem Österreicher Christian Hoffmann noch einmal Zweiter wurde. „Immerhin sind das dort in Italien die Olympia-Strecken 2006“, gab der 29-Jährige zu bedenken, „da kann man schon einmal schauen, wie es dort so aussieht.“

Olympia, freilich: „Das ist noch Zukunftsmusik.“ Auch an die WM im nächsten Jahr in Oberstdorf mag René Sommerfeldt noch nicht denken. Bis zum 1. Mai will er sich „einfach nur erholen“. Dann wird wieder zum Training geladen: Rund 10.000 Kilometer legt Sommerfeldt in der Saisonvorbereitung gewöhnlich zurück. Aber anders als damals in den „Schattenjahren“ weiß er in diesem Jahr, dass sich die Schinderei lohnt. Schließlich hat sie ihn zum Besten seiner Zunft gemacht hat.