„Regierung hat bei Hanau Spielraum“

Rot-Grün könnte den Export der Hanauer Plutoniumfabrik nach China durchaus verbieten, sagt Hans-Michael Wolffgang, Experte für Außenwirtschaftsrecht an der Uni Münster. Für ein Nein genügen außen- oder rüstungskontrollpolitische Gründe

INTERVIEW CHRISTIAN RATH

taz: Herr Wolffgang, Siemens will die Hanauer Brennelementefabrik nach China exportieren. Die Bundesregierung betont, sie werde diesen Antrag nach „Recht und Gesetz“ bescheiden. Muss der Exportantrag genehmigt werden?

Hans-Michael Wolffgang: Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) und damit die Regierung hat einen Ermessensspielraum. Weder muss sie den Export genehmigen, noch ist eine Genehmigung von vornherein ausgeschlossen.

Woraus ergibt sich dieses politische Ermessen?

Rechtsgrundlage für die Exportgenehmigung ist die Dual-Use-Verordnung der EU, denn die Brennelementefabrik ist in deren Anhang I gelistet. Diese Liste führt die sowohl militärisch als auch zivil nutzbaren Anlagen auf. Die EU-Regelung geht zwar von einem grundsätzlichen Recht zur Ausfuhr von Waren aus. Wenn aber „Überlegungen der nationalen Außen- und Sicherheitspolitik“ oder „Überlegungen über die beabsichtigte Endverwendung und die Gefahr einer Umlenkung“ gegen den Export sprechen, dann kann die Genehmigung versagt werden.

Müssen die Argumente, die gegen den Export sprechen, hieb- und stichfest sein?

Nein, es sind keine Beweise im engeren Sinne erforderlich. Deshalb heißt es ja „Überlegungen“.

Warum hat die Regierung hier einen so großen Ermessensspielraum?

Bei Dual-Use-Gütern kann man immer nur prognostizieren, ob sie zivil oder militärisch genutzt werden sollen. Eine Behörde kann schließlich nicht hellsehen.

Kann die Regierung also ganz frei entscheiden, ob der Export stattfinden soll?

Nein, so weit geht das Ermessen nicht. Es wäre zum Beispiel unzulässig, wenn die Exportgenehmigung mit der Begründung versagt würde, dass der Export der Anlage nicht zum deutschen Atomausstieg passt. Das wäre ein Argument, das im Rahmen der Dual-Use-Verordnung keine Rolle spielen kann.

Michael Sailer, Chef der Deutschen Reaktorsicherheits-Kommission, befürchtet, dass die Anlage „früher oder später Teil des chinesischen Militärprogramms wird“. Wäre dies ein zulässiges Argument?

Wenn die Regierung die Genehmigung aus außen- oder rüstungskontrollpolitischen Gründen ablehnt, dann ist sie auf der sicheren Seite.

Eine Klage von Siemens gegen eine solche Ablehnung hätte dann keine Chance?

Das zuständige Verwaltungsgericht Frankfurt wird eine Ablehnung des Exportantrags nur auf Ermessensfehler überprüfen. In einem kürzlich ergangenen Urteil hat es dem Bafa ausdrücklich Spielraum bei der Bewertung und Gewichtung außen- und sicherheitspolitischer Gründe zugestanden.

Greenpeace argumentiert, dass eine Exportgenehmigung von vornherein verboten sei, da das Kriegswaffenkontrollgesetz jedes „Fördern“ der Atomwaffenproduktion verbiete …

Das Kriegswaffenkontrollgesetz ist hier aber nicht anwendbar. Die Brennelementefabrik ist weder eine Kriegswaffe, noch soll mit ihr eindeutig die Atomwaffenproduktion gefördert werden. Diese fehlende Eindeutigkeit ist ja gerade das Typische von Dual-Use-Produkten. Deshalb ist hier die Dual-Use-Verordnung anzuwenden, und die Regierung muss eine Ermessensentscheidung treffen.