Der Koalitionär zieht sich zurück

Die Angst vor vergleichbaren schweren Terrorangriffen könnte weitere Länder bewegen, ihre im Irak stationierten Soldaten abzuziehen

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Spaniens sozialistischer Wahlsieger und künftiger Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero will die rund 1.300 im Irak stationierten Soldaten seines Landes abziehen. Damit betreibt der konsequente und scharfe Kritiker des Irakkrieges keineswegs Appeasementpolitik gegenüber Terroristen, die nach dem bisherigen Ermittlungsstand möglicherweise für die Anschläge von Madrid verantwortlich waren und diese mit der Unterstützung Spaniens für den Irakkrieg zu rechtfertigen suchen. Vielmehr erfüllt der Sozialistenchef lediglich sein Wahlkampfversprechen an die SpanierInnen, die die Beteiligung ihres Landes am Irakkrieg ja nicht erst nach den Anschlägen von Madrid verurteilen, sondern bereits seit Januar 2003 mit bis zu 95-prozentiger Mehrheit ablehnen und kritisieren.

Der Truppenabzug, erklärte Zapatero, soll noch vor dem 30. Juni erfolgen, dem Datum, zu dem die Besatzungsmächte USA und Großbritannien eine zumindest in einigen Bereichen „souveräne“ irakische Regierung in Bagdad installieren wollen. Im Wahlkampf hatte Zapatero für den Fall seines Sieges einen weiteren Verbleib der spanischen Truppen im Irak von ihrer Unterstellung unter ein UN-Mandat abhängig gemacht. Eine Erfüllung dieser Bedingung bis zum 30. Juni ist angesichts der Lage im Irak ausgeschlossen. Ob und wann danach sie vielleicht erfüllt wird, ist noch unabsehbar.

Von den derzeit über 150.000 Soldaten im Irak stellen die Spanier mit 1.300 weniger als ein Prozent. Militärisch würde ihr Abzug daher keine große Lücke reißen. Allerdings hätte er symbolische Bedeutung und könnte politische Auswirkungen auf andere Staaten haben. Zum einen dürfte der Abzug des – neben Großbritannien – westeuropäischen Hauptkriegsverbündeten der USA die Bemühungen der Bush-Administration zusätzlich erschweren, zumindest einen Teil der Besatzungslast im Irak auf die Nato abzuwälzen. Auf dem Gipfeltreffen der Allianz Ende Juni in Istanbul – rechtzeitig vor Beginn der heißen Phase des US-Präsidentschaftswahlkampfes – möchte die Bush-Administration einen Beschluss durchsetzen, mit dem das Nato-Bündnis im Irak „Verantwortung übernimmt“ und sich Mitgliedstaaten zur Entsendung von Soldaten verpflichten.

Darüber hinaus wird Spaniens Rückzug aus dem Irak möglicherweise ähnliche Schritte anderer an der Besatzung beteiligter Länder auslösen; etwa Polen, wo die Bevölkerung anders als in Spanien nicht mit übergroßer Mehrheit gegen den Irakkrieg und die Beteiligung an der Besatzung votiert hat. Verstärkt werden könnte eine solche Absetzbewegung aus dem Irak durch die wachsende Sorge in Warschau und anderen Hauptstädten, ebenfalls Ziel des Terrors zu werden. Derartige Anschläge lassen sich weder mit Sicherheit voraussagen noch ausschließen, wie das Beispiel Spanien zeigt.

Einer der drei Gründe, mit denen die Regierungen in Washington, London und Madrid den Irakkrieg vom März letzten Jahres und die nachfolgende Besatzung zu rechtfertigen such(t)en, war die Bekämpfung und Eindämmung des Terrorismus. Alle Warnungen, Krieg und Besatzung würden das Gegenteil, nämlich die Stärkung des Terrorismus bewirken, wurden von den drei Regierungen in den Wind geschlagen.

Inzwischen haben sich diese Warnungen leider voll bestätigt. Es steht zu befürchten, dass die Fortsetzung der derzeitigen Besatzung dem Terrorismus weiteren Zulauf verschafft. Die Beendigung der Besatzung und die Übergabe der internationalen Verantwortung im Irak an die UNO – Schritte, für die auch viele andere gute Gründe sprechen – böten nach wie vor die größte Chance, die wachsende Unterstützung für den Terrorismus zu stoppen und künftigen Anschlägen vorzubeugen. Eine solche außenpolitische Kurskorrektur in Washington, London und anderen Hauptstädten hätte nichts mit Appeasementpolitik zu tun. Auch wenn sie mit jedem weiteren Terroranschlag zunehmend so missverstanden und denunziert werden dürfte.