Hinweise auf Al-Qaida-Zellen erhärten sich

Der am Samstag verhaftete Dschamal Sugam gehört zu den gewalttätigen Islamisten. Er könnte einer der verantwortlichen Terroristen der Madrider Anschläge sein. Das vermeintliche Bekennervideo gibt Rätsel auf

MADRID taz ■ Die Spur der Anschläge auf die Pendlerzüge zu al-Qaida verdichtet sich. Mindestens zwei der in Madrid verhafteten Männer – der 26-jährige Mohammed Chaui und der 30-jährige Dschamal Sugam – scheinen sowohl mit Al-Qaida Zellen als auch mit dem marokkanischen „Salafistischen Heiligen Krieg“ in Verbindung zu stehen.

Die spanische Polizei untersucht jetzt, inwieweit die Gruppe, die im Mai vergangenen Jahres für die Bombenserie mit 45 Toten in der Wirtschaftsmetropole Casablanca gegen jüdische und westliche Einrichtungen, darunter auch ein spanisches Kulturzentrum, verantwortlich zeichnete, auch in die Anschläge von Madrid verwickelt ist.

Eine Abordnung spanischer Polizisten reiste zu diesem Zweck nach Marokko. Im Gegenzug unterstützen marokkanische Beamte die Ermittlungsarbeiten in Madrid. Vier weitere Marokkaner werden gesucht. Auch mögliche Verbindungen nach Saudi-Arabien werden verfolgt. Dschamal Sugam steht bereits seit längerem unter Beobachtung. Dank einer Anfrage der französischen Polizei waren die spanischen Behörden bereits im November 2001 auf ihn aufmerksam geworden. Baltazar Garzón, Richter am spanischen Obersten Strafgerichtshof, brachte damals den aus dem nordmarokkanischen Tanger stammenden Sugam mit der Gruppe „Soldaten Gottes“ in Verbindung. Vor allem deren Anführer, Imad Eddin Barakat, genannt „Abu Dahdah“, war nach Angaben des Richters vermutlich an den Vorbereitungen zum 11. September beteiligt. Garzón ermittelt, ob er sich mit dem Hamburger Todespiloten Mohammed Atta und dem Gehirn des Anschlags auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington, Ramsi Binalshibh, getroffen hat, als beide in Spanien weilten, um die Details zu koordinieren.

Im Rahmen der Ermittlungen wurde die Wohnung von Sugam durchsucht. Telefonnummern von Mitgliedern der Abu-Dahdah-Zelle sowie Propagandavideos und Bücher von al-Qaida wurden gefunden. Zudem stieß die Polizei auf mehrere Kassetten, auf denen wichtige Al-Qaida-Miglieder zu sehen sind.

Einer davon ist Abdelasis Benyaich. Er wurde im Juni 2003 im südspanischen Algeciras festgenommen. Er soll der Gruppe „Salafistischer Heiliger Krieg“ angehören und an der Vorbereitung der Anschläge von Casablanca beteiligt gewesen sein. Bei Sugam selbst handelt es sich vermutlich um einen ehemaligen Afghanistan-Kämpfer aus Marokko. Diese Kämpfer bilden den harten Kern des gewalttätigen Islamismus im Nachbarland Spaniens. Er wird deshalb von den Ermittlern verdächtig, die Täter von Madrid nicht nur unterstützt zu haben, sondern selbst zum harten Kern der Terroristen zu gehören. Trotz all dieser Funde und möglicher Verbindungen wurde Sugam damals nicht in Haft genommen.

Der Name eines zweiten der fünf Verhafteten, der ebenfalls aus Tanger stammende 26-jährige Mohammed Chaui, findet sich in einem Abhörprotokoll der Ermittlungen gegen Abu Dahdah und seine Leute wieder. Den beiden verhafteten Indern konnte bisher nichts weiter nachgewiesen werden als der Weiterverkauf von 50 Chipkarten für Handys an die drei Marokkaner. Ein Teil davon wurde später für die Mobiltelefone genutzt, die die Zeitzünder der Bomben in den Todeszügen steuerten.

Seit gestern ist die Frage, ob auch Attentäter unter den Opfern sind, wieder offen. Die Polizei untersucht einen der Toten. Von ihm ist nicht viel mehr als die Wirbelsäule übrig geblieben. Die Bombe explodierte direkt an seinem Körper. Das Video, auf dem sich der „militärische Europasprecher von al-Qaida, Abu Duchan al-Afghani“, zu den Anschlägen von Madrid bekennt, gibt den Behörden auch weiterhin Rätsel auf. Keiner der von Spanien konsultierten ausländischen Geheimdienste kennt den Mann, der dort in arabischer Kleidung zu sehen ist und einen ausgeprägten marokkanischen Akzent hat. REINER WANDLER