lokalkoloratur

Sie redet gern und viel und interessant – wenngleich es ihr schwerfällt, in der Landschaft ihrer Vita auf den Pfad eines Themas zu verbleiben. „Ich habe alles schon gesehen.“ Ein Satz, der im Gespräch mit Sonja Sonnenfeld in schöner Regelmäßigkeit fällt. Schließlich kommt in 91 Lebensjahren viel zusammen. Es beginnt mit beherzten Anekdoten vom aufmüpfigen Kind im gestrengen Berliner Mädcheninternat. Später war die junge exotische Jüdin als Statistin am Set von „Metropolis“ und tanzte in einigen UFA-Produktionen, denen die Unsterblichkeit verwehrt blieb. Aber unsterblich sind Josephine Baker, Jean Gabin und Hans Albers, die Sonja dort traf und von denen sie einiges zu berichten weiß. Bei der ersten öffentlichen Rede des neuen Reichskanzlers Adolf Hitler, 1933 im Berliner Lustgarten, mogelt sie sich als Journalistin hinter die Kulissen. 1938 verlässt sie Deutschland in Richtung Schweden. Und sie verlässt den Film, um sich für humanitäre Dienste einzusetzen. Seit 1979 engagierte sie sich als treibende Kraft für die Freilassung des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg aus sowjetischer Haft. Zahlreiche Kampagnen und Aktionen brachten sie mit Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zusammen. „Ich lerne die Welt kennen, indem ich die Menschen kennen lerne.“ Viele, die sie kennen gelernt hat, finden sich in ihren Lebenserinnerungen wieder, aus denen sie gestern im Albrecht-Thaer-Gymnasium vortrug. „Es begann in Berlin“, so ist die Sammlung mitreißender Berichte und heiterer Geschichtchen überschrieben. Wirkt gelesen so gut wie erzählt. CHK