Geld investieren, Zeit sparen

Auf dem achten Deutschen Trendtag wurde eine neue Währung eingeführt: Eigenzeit. Im Tausch gibt es Rabatte bei der Bahn und den Billig-Airlines.

von LENA ULLRICH

Das Hamburger Trendbüro veranstaltete gestern den achten Deutschen Trendtag mit dem Thema „Aufschwung durch eine neue Zeitökonomie“. Rund 470 Teilnehmer wurden erwartet. Zahlreiche Konzerne, wie Daimler-Chrysler, Coca-Cola und die Deutsche Bahn AG schickten Vertreter. Einige überhörten in der Empfangshalle das Startzeichen oder schafften es nicht rechtzeitig um neun Uhr in das Curiohaus. Verspätet begrüßte Moderator Andreas Lukoschik sein Publikum mit der chinesischen Weisheit „Wer früh aufsteht, gewinnt einen langen Tag“.

Auch in dem darauf folgenden Vortrag von Prof. Dr. Norbert Bolz der TU Berlin lernte das unpünktliche Auditorium Zeit als höchstes Gut begreifen. „Der Gewinner von morgen ist nicht, wer Zeit investiert um Geld zu sparen, sondern wer Geld investiert um Zeit zu sparen“, so Prof. Dr. Bolz. „Zeit kostbarer als Geld“, notierten die eifrigen Vertreter der Konzerne. Das dürfte ihre Chefs interessieren. Immerhin bezahlten sie für jeden Vertreter, der an dem Deutschen Trendtag teilnahm, 750 Euro.

Jordan Gunther, Vertreter der Deutschen Bahn AG, konnte entspannt zuhören. Was der Gründer des Trendbüros Prof. Peter Wippermann, über Eigenzeit als Kapital der Konsumenten von morgen erzählte, hat die Deutsche Bahn AG längst begriffen. Zeit ist Geld. Das ist nicht neu. Aber das veränderte Preissystem der Bahn ermöglicht dem Kunden jetzt auch seine Flexibilität gegen einen Preisvorteil zu tauschen: Den so genannten Frühbucher-Rabatt. Wer Wochen im Voraus bucht und sich auf einen speziellen Zug festlegt, zahlt bis zu 25 Prozent weniger. „Die neue Zeitsensibilität beflügelt bald auch andere Branchen“, so Prof. Wippermann. Ein Beispiel dafür sind die neuen Self-Scanning-Kassen, die der Supermarkt-Konzern „Metro“ gerade in Rheinberg nahe Düsseldorf testet. Der Kunde spart Wartezeiten ein. Im Gegenzug erhält Metro die persönlichen Daten des Kunden, die dabei helfen, das Angebot auf seinen Geschmack abzustimmen. Die neuen Technologien vernetzen das Lebensumfeld. Nach Ansicht der Experten ist somit auch die Trennung von Arbeits- und Freizeit überholt. Eigenzeit, die zum Gewinn finanzieller Vorteile genutzt werde, splitte das alte, lineare Modell.

Damit einher geht ein Wertewandel in der Berufswelt: „Im Industriezeitalter galt Bildung als Zeichen für Individualität“, sagt Prof. Dr. Norbert Bolz der TU Berlin. Im neuen Kommunikationszeitalter ist Bildung jedoch schnell veraltet. Daraus schließt Prof. Dr. Bolz: „Heute gilt: Individuell ist wer Eigenzeit hat.“ Statt Effizienz, Produktivität und Optimierung – die Maßstäbe des Industriezeitalters – prägten Flexibilität, Experimentierfreude und Weiterbildung die Arbeitswelt des Kommunikationszeitalters, so US-Autor und Spielberg-Berater („Minority Report“) Kevin Kelly. Berufe, die nur nach ihrer Effizienz gemessen würden, könnten schließlich von Robotern erledigt werden. Noch im hohen Alter zahle es sich aus, dynamisch auf Veränderungen reagieren zu können. Nicht aus Eitelkeit, sondern um konkurrenzfähig zu bleiben, streben die Menschen im Kommunikationszeitalter ewige Jugendlichkeit an.

Weitere Infos gibt es unter www.trendtag.de. Die Redebeiträge auf CD-Rom sind für 54 Euro unter ☎ 36 97 78 10 zu bestellen.