Zwischen Opportunist und Wowi-Bezwinger

Im Wahlkreis setzte sich Nicolas Zimmer gegen Wowereit durch. Im Duell um den CDU-Fraktionsvorsitz gegen Peter Kurth betont er, nicht von Grabenkämpfen belastet zu sein

Nicolas Zimmer sieht so aus wie einer, der im Bus sofort seinen Platz einer alten Frau freimacht, der zumindest gutbürgerliche Schwiegermütter in spe gleich für sich einnimmt. Glatt rasiert und gekämmt, meist lächelnd, im Parlament immer im Anzug, meistens mit Krawatte – aber stets so dezent, dass er nicht wie von seiner Rolle angezogen aussieht. Seine Rolle, das ist die des Haushaltspolitikers der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Und neuerdings die des Kandidaten für den Fraktionsvorsitz. Heute Nachmittag wählen die Unionsabgeordneten ihren neuen Chef, und angeblich hat Zimmer eine Mehrheit hinter sich.

Es ist das Duell zweier Juristen mit diesem Große-Jungen-Image. Auch Gegenkandidat Peter Kurth, mit 43 gut zehn Jahre älter, trägt es mit sich, ist stets verbindlich und so höflich, dass ihm politische Freunde sagen, er solle in diesen Tagen mehr kämpfen.

Anders als Kurth, der 1994 von der Deutschen Bank als Finanzstaatssekretär in die Spitzenpolitik wechselte, ist Zimmer durch die klassische Ochsentour der Berliner CDU nach oben gekommen. Sechs Jahre Bezirksverordneter in Tempelhof, parallel zum Jura-Studium, seit 1998 im Abgeordnetenhaus. Wird er heute gewählt, ist er in seiner Fraktion fast so schnell aufgestiegen wie der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der binnen vier Jahren SPD-Fraktionschef wurde.

Seine Unterstützer wie der Spandauer Abgeordnete Peter Trapp vergessen nicht darauf hinzuweisen, dass Zimmer seinen Wahlkreis in Lichtenrade zweimal gegen Wowereit gewann. Was sie nicht sagen, ist, dass Zimmer im tiefen CDU-Terrain binnen zwei Jahren einen Vorsprung von über 9.000 Stimmen fast vergeigte und 2001 nur 198 Stimmen vor Wowereit lag.

Im Machtgefüge der CDU-Fraktion hat Zimmer eine Art Quadratur des Kreises geschafft. Denn als Parlamentarischer Geschäftsführer ist er theoretisch ein Vertrauter des am Sonntag zurückgetretenen Fraktionschefs Frank Steffel. Dennoch gilt er nicht als klarer Steffel-Mann. Eine Mischung aus Loyalität und eigener Linie sehen seine Helfer darin. Opportunismus sehen seine Kritiker.

Von einer Hauptausschussreise nach Brüssel im Frühjahr 2001 heißt es, dort habe Zimmer noch über Steffel hergezogen, der damals Fraktionsvize war. Nach seiner Einbindung in die engste Führung waren solche Töne nicht mehr zu hören. Allein in Fachfragen als haushaltspolitischer Sprecher der Fraktion gab er gelegentlich contra. Anders als Steffel-Gefolgsmann und Schulexperte Goetze hatte er etwa kein Problem mit dem Ende der Lernmittelfreiheit.

Im Parlament gibt Zimmer den vorwiegend seriösen Redner, der die üblichen Populismen nicht auslässt. Einen „traurigen Super-Gau“ sah er bei der dahinsiechenden Privatisierung der Bankgesellschaft, den Doppelhaushalt nannte er „ein Dokument des Realitätsverlusts“.

Als haushaltspolitischer Sprecher hat sich Zimmer zwar Anerkennung erworben. Im Duell mit Kurth bringt das jedoch nicht den entscheidenden Vorsprung, weil der schließlich Finanzsenator war. Auf die Frage nach den Unterschieden zwischen ihm und Kurth spricht Zimmer vielleicht deshalb weniger von eigenen Qualitäten als davon, was er nicht ist. Er sei nicht derart etikettiert wie Kurth, „nicht seit zehn Jahren in politische Grabenkämpfe verwickelt“.

Die eigentliche Schlammschlacht überlässt er seinen Unterstützern, die Kurth den Bankenskandal vorhalten, weil er im Aufsichtsrat saß. Anders als Kurth habe sich Zimmer an der Aufklärung des Bankenskandals beteiligt, wird etwa der Steffel-Vertraute Frank Henkel zitiert.

An Selbstbewusstsein mangelt es Zimmer dabei nicht. Im Plenum bot er jüngst dem Senat seine Hilfe bei der Haushaltskonsolidierung an: „Meine Nummer ist 23 25-21 54. Wenn jemand Interesse haben sollte, rufen Sie an.“ Heute Nachmittag wird er sich möglicherweise korrigieren müssen: Der CDU-Fraktionschef hat die Durchwahl -21 00.

STEFAN ALBERTI