Neuerliche Kehrtwende in der Jugendpolitik

FU-Politologe Hajo Funke fordert demütigungsfreie Pädagogik im Umgang mit rechtsextremen Jugendlichen

Und wieder zeichnet sich eine Trendwende ab im Umgang mit dem Rechtsextremismus. Galt das Konzept der akzeptierenden Jugendarbeit, also die Zusammenarbeit mit rechtsextremen Jugendlichen, seit einigen Jahren als „verbrannt“, plädieren Experten wieder für einen direkten Kontakt mit gewalttätigen Jugendlichen aus der rechten Szene. Von „demütigungsfreier Pädagogik“ sprach der Politik-Professor Hajo Funke von der Freien Universität gestern vor dem Schul- und Jugendausschuss des Abgeordnetenhauses. Die Sozialarbeiter müssten versuchen, wieder systematischer an die rechte Szene heranzutreten.

Der neue Verfassungsschutzbericht zeigt, dass die rechte Jugendszene immer militanter wird. Zwar sei die Anhängerschaft im Vergleich zum letzten Jahr leicht geschrumpft, so Funke. Anlass zur Sorge bereite ihm aber die Zunahme der Gewalttaten. In Berlin betreffe dies vor alLichtenberg, Pankow, Marzahn-Hellersdorf und Köpenick. Vor allem die gewaltbereite Skinhead-Szene und Hooligans hätten nach wie vor enormen Zulauf. Umso mehr Kritik übte Funke an der Politik. Im sozialen Bereich müsse es wieder Perspektiven geben. Der Mangel an Angeboten treibe erst viele Jugendliche in die Skinhead-Szene: „Der rot-rote Senat darf seine Sparpolitik im Jugend- und Sozialbereich nicht überziehen.“

Das sieht auch Elvira Berndt so, Geschäftsführerin von „Gangway“, einem Verein für Straßensozialarbeit. Sie habe beobachtet, dass viele in der Szene keineswegs ein geschlossen rechtes Weltbild hätten. War es vor einigen Jahren noch die Auschwitzlüge, würden sie sich heute gegen Krieg und Globalisierung positionieren. „Klingt gar nicht so rechts“, sagte Berndt, gäbe es nicht die Fremdenfeindlichkeit und den Nationalismus. Sie plädierte für mehr Aufklärung in Form von Bildung und Mitgestaltung. FELIX LEE