Magenta bestimmt

Das Team Telekom gibt bei der Friedensfahrt den Ton an und lässt noch ein kleines Türchen für Jan Ullrich offen

FRANKFURT (ODER) taz ■ Wenn Jörg Strenger an Jan Ullrich denkt, überfallen ihn schnell sehr gemischte Gefühle. „Natürlich hätten wir ihn hier gerne dabei gehabt“, sagt der Mitorganisator der Friedensfahrt, schon wegen dem Mehr an medialer Aufmerksamkeit, die der Ex-Merdinger ja immer noch hinter sich herzieht wie eine Kuh ihren Schwanz. Andererseits ist Strenger aber auch ganz froh, dass Ullrich ihm und der Friedensfahrt einen Korb gegeben hat, trotz all der Bitten und persönlichen Briefe, die man ihm im Vorfeld habe zukommen lassen. „Stellen Sie sich nur mal vor“, sagt Strenger jetzt, „Ullrich wäre nach Olomouc gekommen und wir hätten ihn wieder nach Hause schicken müssen.“ Dabei schüttelt der massige Mann seinen roten Kopf – und man kann sehen, wie ihm allein der Gedanke an solch ein Szenario den Schauder über den Rücken jagt.

Am Freitag vor einer Woche begann in Olomouc die traditionsreiche Drei-Länder-Tour durch Tschechien, Polen und Deutschland. Zwar war Ullrich nicht an die Startlinie gerollt, wohl aber ein paar Teamkameraden seines Rennstalls, dem Team Coast. Der Rest der Geschichte stellt selbst für die an Skandalen nicht eben arme Radsportszene einen ziemlichen Hammer dar: Die Coast-Fahrer hatten sich nämlich bereits ihre Startnummern auf Brust und Rücken gepinnt und zur Mannschaftspräsentation aufgemacht, als das Fax des Internationalen Radsportverbandes UCI bei den Organisatoren der Friedensfahrt eintraf und die neuerliche Sperre des Essener Radstalls wegen ausstehender Fahrergehälter mitteilte. Mit sofortiger Wirkung. Es war dann ein sehr trauriges Bild, wie den Coast-Fahrern die Startnummern wieder abgenommen und sie weggeschickt wurden vom Startstrich. „Mir haben die Fahrer und Betreuer unendlich Leid getan“, sagt Strenger. „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Nur gut, findet er deshalb, dass nicht auch Ullrich dabei war.

Ullrich wird, so weiß man mittlerweile, auch in Zukunft nicht mehr mit von der Partie sein, wenn Coast irgendwo an den Start geht (so es überhaupt noch einmal dazu kommen sollte). Am Mittwoch gab das Management des Olympiasiegers die Trennung von Günther Dahms, dem wirtschaftlich mehr und mehr in Verruf geratenen Coast-Chef, bekannt. „Das Maß ist voll. In der Zukunft nur noch ohne Dahms“, ließ Ullrich-Manager Wolfgang Strohband jedenfalls wissen. Wohin die Reise den Tour-de-France-Sieger von 1997 nun treibt, scheint derzeit allerdings noch offen. Möglich, dass der italienische Fahrradhersteller Bianchi, bisher Rad-Sponsor bei Coast, ein eigenes Team auf die Beine stellt – mit Ullrich als Kapitän und auch sonst besetzt mit so manchem derzeit noch bei Coast unter Vertrag stehenden Fahrer.

Beim Team Telekom, Ullrichs vormaligem Arbeitgeber, sieht man die ganze Angelegenheit offensichtlich ziemlich entspannt. „Man weiß doch, dass Dahms gewisse Dinge nicht auf die Reihe bekommt“, sagt Telekom-Sprecher Olaf Ludwig; eigene Bestrebungen um eine Rückverpflichtung Ullrichs formuliert er auffällig zurückhaltend. „Die Tür ist nicht zu“, sagt Ludwig, „es muss jetzt aber ein Zeichen von Ullrichs Seite geben.“ Bis gestern gab es das nicht – jedenfalls nicht öffentlich.

Beim Team Telekom dürfte man das derzeit verschmerzen können, das erste Halbjahr ohne das einstige Aushängeschild verlief erfreulich erfolgreich – vor allem aber ohne Skandale. Auch bei der Friedensfahrt sind die Magenta-Radler eine Klasse für sich – und kontrollierten das allerdings kaum wirklich hochklassig besetzte Feld bisher beinahe nach Belieben. Die ersten beiden Etappen gewann Telekom-Sprinter Danilo Hondo, die dritte Steffen Wesemann, der nach der vierten dann auch das gelbe Trikot des Spitzenreiters übernahm. Zum Vergleich: Das Team Gerolsteiner, dritter deutscher GSI-Rennstall, kam bei der Friedensfahrt bisher nur in der Mitte der Ergebnislisten vor, Coast lediglich als Skandalnudel zu Beginn. Dinge wie diese dürften Olaf Ludwig mit Zufriedenheit und Genugtuung erfüllen, auch wenn er das zu verstecken versucht. „Uns geht es ja nicht darum, beste deutsche Mannschaft bei der Friedensfahrt zu sein“, sagt der Telekom-Sprecher, sondern: „Top 3 in der Welt, das ist unser Ziel.“ An Jan Ullrich hat er dabei nur am Rande gedacht.

FRANK KETTERER