Kindschaftsrecht reformieren

betr.: „Streit übers Sorgerecht ohne Trauschein“

Leidtragende sind in erster Linie die Kinder, denn vor Gericht wird oft nach wie vor nach einem abstrakten, nicht weiter definierten „Kindeswohl“ (vgl. Bürgerliches Gesetzbuch: BGB § 1671 II Nr.2) entschieden. In der Praxis führt dieses Verfahren dazu, dass Kinder einen Elternteil nur noch selten oder gar nicht mehr sehen. Die Kinder werden dabei zu Objekten degradiert. Eine Betrachtung aus Sicht der Kinder, wie es zum Beispiel die „Cochemer Praxis“ vorsieht, ist leider noch immer nicht bei den meisten Familiengerichten, Jugendämtern, Anwält(inn)en, Beratungsstellen und Sachverständigen angekommen. In der Cochemer Praxis arbeiten alle Beteiligten zusammen und versuchen, die Sichtweise der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Die Kinder möchten in der Regel eben nicht den Kontakt zu einem Elternteil verlieren bzw. diesen nur noch alle 14 Tage am Wochenende sehen.

Andere Länder wie Frankreich sind da schon viel weiter, es kann sogar das „Wechselmodell“ gerichtlich angeordnet werden, wenn es die Kinder wünschen. Bei uns dagegen ist dies nicht möglich, auch wenn es vor dem Gang zum Gericht gängige Praxis war und außer dem klagenden Elternteil alle dieses Wechselmodell favorisieren. Eine wirkliche Reform des Kindschaftsrechts ist deshalb dringend notwendig. Die Umsetzung der Cochemer Praxis, die Verpflichtung zur Zusammenarbeit aller Beteiligten und die Pflicht der Eltern zur Mediation in ganz Deutschland würde endlich einen Ausweg aus dem hierarchischem Denken von Sieg und Niederlage aufzeigen und stattdessen eine wirkliche Konfliktlösung herbeiführen. Sorgerechtsentscheidungen sind in der Cochemer Praxis praktisch nicht mehr zu treffen. Stattdessen stehen die praktischen Fragen im Vordergrund. Nur sehr wenige Konflikte lassen sich so nicht lösen, die dann noch vor Gericht kommen. Aber bis dahin ist es leider wohl noch ein sehr, sehr weiter Weg in Deutschland. Es sind ja auch nur Kinder, die darunter leiden müssen. Und die haben wohl keine Lobby. THOMAS SPÄNHOFF, Hamburg