SCHRÖDER WIEDERHOLT BEI SEINER SÜDOSTASIENREISE KOHLS FEHLER
: Menschenrechte in der Blackbox

Die gestern beendete Reise Gerhard Schröders nach Malaysia, Singapur, Indonesien und Vietnam vermittelt ein Bild der Harmonie. Über Meinungsverschiedenheiten mit den besuchten Regierungen wurde nichts bekannt. Vielmehr hofierte der Kanzler sie als Hoffnungsträger für die deutsche Wirtschaft und sonnte sich in der Bestätigung seiner Ablehnung des Irakkrieges, gegen den auch Kuala Lumpur, Jakarta und Hanoi waren. Alle vier besuchten Regierungen waren sich mit Schröder einig, dass die UNO im Nachkriegs-Irak eine wichtige Rolle spielen müsse. Auch bekam er Lob, trotz SARS überhaupt gereist zu sein.

War sonst noch etwas? Auffällig war, wie die Kanzlerdelegation das Thema Menschenrechte in einer Blackbox entsorgte, mit dem Titel: „Wir reden darüber, aber wir sprechen nicht davon“. Begründung: Dies sei kontraproduktiv. Wer wissen will, ob Schröder in Malaysia die unrechtmäßige Verurteilung von Exvizepremier Anwar Ibrahim, in Singapur die Gängelung der Opposition, in Indonesien den Militäraufmarsch in Aceh und das fragwürdige Osttimor-Tribunal oder in Vietnam die Verhaftung Oppositioneller ansprach, erhält keine klare Antwort. Während das Bundespresseamt immerhin vermeldet, über Terrorbekämpfung sei gesprochen worden, schweigt es bei den Menschenrechten. Einzig in Vietnam ermunterte Schröder zur Öffnung des Landes und zu freiem Internetzugang.

Nicht nur wegen Europas Kolonialgeschichte verbietet sich in Südostasien ein besserwisserischer Auftritt. Benötigt werden Konzepte, die das Thema Menschenrechte in den Dialog integrieren, statt es harmoniesüchtig auszusparen. Menschenrechtspolitik muss überprüfbar sein, und vieles verbessert sich erst durch öffentlichen Druck. Mit Peking führt Berlin einen so genannten Rechtsstaatsdialog. Wenn der so erfolgreich ist wie behauptet, warum initiiert der Kanzler einen solchen Dialog dann nicht mit Südostasien? Schröder wiederholt den Fehler seines Vorgängers Helmut Kohl, der nicht sehen wollte, dass Menschenrechte, Pluralismus und Informationsfreiheit auch im Interesse der Wirtschaft sind. SVEN HANSEN