berliner szenen Freundlicher Faustfick

Thirlwell und Stadlober

Missverstanden zu werden, und das gleich im großen Stil, gehört wohl zum Besten, was einem Debüt-Roman passieren kann. „Dies ist kein Buch über Sex“, betont Adam Thirlwell – handzahm aussehender Literatur-Jungstar aus London – am Montagabend im Roten Salon wahrscheinlich bereits zum tausendsten Mal. Neben ihm sitzt Robert Stadlober. Gemeinsam lesen sie aus Thirlwells Debüt „Strategie“, einer Geschichte über eine ménage à trois, die im Feuilleton gierig beschnüffelt wird, dank ihrer unverblümt detailgetreuen Analsex-, Fistfuck- und Bondage-Szenen. „Dies ist kein Buch über Sex“, betont Thirlwell nochmals. Ach so.

Während er vorliest – es geht um Arschlöcher und Plüsch-Handschellen –, kichert Stadlober, dann übernimmt dieser mit der deutschen Übersetzung und Thirlwell fragt, ob es ihm nicht peinlich sei, solche Schweinereien laut vorzulesen. „Wieso? Ich hab’s doch nicht geschrieben“, sagt Stadlober, „außerdem kriege ich ja Geld dafür.“ Thirlwell liest weiter über Menschen, die sich zwingen, Masochisten zu werden, in der Hoffnung, Gutes zu tun und dabei gut auszusehen. Das alles ist sehr verwirrend.

Dementsprechend ratlos gibt sich das Publikum in der Fragerunde, junge Pärchen, Mädchencliquen und ein paar hart gesottene Senioren: „Herr Thirlwell, worum geht es denn, wenn nicht um Sex?“ – „Darum, freundlich zu sein.“ Ach so, na klar, entweder Sex oder Freundlichsein, ein Missverständnis, wie konnte das passieren. Die sechs Euro haben sich gelohnt: Die Szene, in der Nanas Darm schmerzt, weil Moshe mit eingerissenem Fingernagel in sie hineingreift wie in eine Bowlingkugel, doch, die war witzig. Es wurde zumindest gelacht. Wahrscheinlich auch dies: ein Missverständnis. JAN KEDVES