Täglich sind tausende auf der Flucht

Die blutigen Kämpfe zwischen Milizen in Bunia im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo dauern unvermindert an. Beide Seiten suchen Verstärkung. UNO-Hauptquartier warnt vor Völkermord; UN-Missionschef im Kongo sieht keine Probleme

von DOMINIC JOHNSON

Die Lage der Zivilbevölkerung im nordostkongolesischen Bunia, wo seit zehn Tagen unter den Augen untätiger Blauhelmsoldaten Milizen der rivalisierenden Hema- und Lendu-Völker die Stadt verwüsten und Zivilisten töten, wird immer dramatischer. Von den schätzungsweise 300.000 Einwohnern der Hauptstadt des Distrikts Ituri sind nach UN-Schätzungen 80 Prozent auf der Flucht. Zehntausende Hema sind zu Fuß Richtung Uganda geflohen; gestern berichtete die Hilfsorganisation „Oxfam“, eine Kolonne von 30.000 bis 60.000 Menschen, vermutlich Lendu, bewege sich aus Bunia nach Süden. Etwa 10.000 Menschen haben sich auf das Gelände der UN-Blauhelmmission im Stadtzentrum geflüchtet, das zuweilen von Milizen beschossen wird. Andere harren auf dem UN-kontrollierten Flughafen aus.

Nach UN-Angaben von gibt es seit gestern in Bunia kein sauberes Wasser mehr. Nun droht eine Cholera-Epidemie. Auch die Lebensmittelvorräte gehen zur Neige. Nach Angaben von Caroly McAskie, stellvertretende UN-Koordinatorin für Nothilfe, befinden sich nur noch acht Mitarbeiter von Hilfswerken in Bunia. Die anderen wurden am vergangenen Wochenende auf Drängen der UNO nach Goma evakuiert, mehrere hundert Kilometer südlich an der Grenze zu Ruanda.

Weiterhin ist Bunia zwischen der Hema-Rebellengruppe UPC (Union kongolesischer Patrioten) und Milizen des mit den Hema verfeindeten Lendu-Volkes umkämpft. Die Frontlinie verlief gestern 25 Meter vom UN-Hauptquartier im Stadtzentrum entfernt. Beide Seiten suchen Unterstützung von außen: Nach unbestätigten Berichten schickt die kongolesische Regierung von Präsident Joseph Kabila Truppenverstärkung für die Lendu-Milizen aus der weiter südlich gelegenen Stadt Beni, wo die lokalen Herrscher mit Kabila verbündet sind. Sollte sich dies bestätigen, dürfte die UPC versuchen, der UNO den Flughafen von Bunia abzunehmen, um selbst Verstärkung zu bekommen. Die UPC ist mit Ruanda und dessen Verbündeten alliiert.

Befürchtungen vor Massakern haben UN-Vertreter am Hauptquartier in New York zu Vergleichen mit dem Beginn des Völkermords in Ruanda 1994 bewogen. Um das abzuwenden, wird eine multinationale Eingreiftruppe erwogen, als deren Truppenlieferanten verschiedentliche Frankreich, Kanada, Südafrika und Tansania ins Spiel gebracht worden sind. Margaret Carey von der UN-Abteilung für Friedensmissionen sagte in New York am Mittwoch, die neuen Truppen müssten – anders als die vorhandenen Blauhelme – schwere Waffen tragen und diese auch benutzen.

Die UN-Mission im Kongo findet trotz dieser Diskussion, sie habe die Lage im Griff. Auf einer Pressekonferenz in Kongos Hauptstadt Kinshasa behauptete der UN-Sonderbeauftragte für den Kongo, Amos Namanga Ngongi, die UN-Truppen in Bunia hätten Massaker verhindert. Der Kommandeur der Blauhelme im Kongo, General Mountaga Diallo, erklärte, man habe die Milizen in Bunia aufgefordert, ihre Artillerie nicht im Stadtgebiet einzusetzen.