15 Studienprogramme für Handverlesene

Bayern führt Elitestudiengänge ein. Der Freistaat ist stolz, Erster zu sein – und weiß noch nicht genau, wie die Eleven langfristig finanzierbar sind

MÜNCHEN taz ■ Solche Worte hört Thomas Goppel besonders gern. Vor allem von sich selbst. „Wo andere gerade einmal Defizite feststellen und mühsam in erster Linie verarzten, hat die bayerische Staatsregierung schon gehandelt“, verkündete Bayerns Wissenschaftsminister (CSU) vor wenigen Tagen in stolzem Ton und mit freudestrahlendem Gesichtsausdruck. Die Begeisterung war verständlich: Als erstes Bundesland, so verkündete Goppel, werde Bayern vom kommenden Wintersemester an zehn Elite-Studiengänge fördern und noch fünf Doktorandenkollegs dazu. Insgesamt 300 Studenten und junge Wissenschaftler sollen zunächst in den Genuss des Sonderprogramms kommen.

Die Grundlagen für dieses „Elitenetzwerk“, wie es die CSU nennt, legte Goppels Vorgänger Hans Zehetmair. Vor gut anderthalb Jahren berief er eine Expertenkommission ein, die wissenschaftliche und finanzielle Eckpunkte für die Elitenförderung ausarbeitete. Dabei sollten nicht – wie etwa beim Modell der Bundesregierung – einzelne Universitäten, sondern Fachbereiche aus möglichst vielen Hochschulen mit finanziellen Mitteln und neuen, auf wissenschaftliche Überflieger zugeschnittenen Studiengängen ausgestattet werden. Die entsprechende Ausschreibung, auf die sich die Unis ab Mai 2003 bewerben konnten, verlangten insbesondere „interdisziplinäre und überuniversitäre“ Ansätze. Es sollen schließlich Netzwerke entstehen und keine einsamen „Leuchttürme in der Bildungslandschaft“, wie man in Bayern über die Ideen von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) spottet. Über 100 Bewerbungen gingen ein.

Die 15 Projekte, die nun gefördert werden, stammen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, etwa Geistes-, Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften oder Biomedizin. Im Mittelpunkt stehen allerdings mit sechs Projekten die Naturwissenschaften. So soll etwa in Erlangen und Regensburg ein Hochbegabten-Studiengang Physik eingerichtet werden, der laut Projektbeschreibung das Ziel hat, „besonders leistungsfähige und leistungswillige Studierende innerhalb von sechs Jahren zur Promotion zu führen“. Dazu wird das Studium in je drei Semester Grundstudium und „Vorbereitungsphase“ aufgeteilt, auf die dann sechs Semester Promotionszeit folgen sollen.

Dieses Modell steht durchaus exemplarisch für die „Elitemodule“, wie Minister Goppel die ausgewählten Studengänge bevorzugt nennt. Die meisten Ansätze strukturieren den Studienplan völlig neu und stellen zeitlich wie inhaltlich extrem hohe Ansprüche an die Studierenden, die mittels herausragender Noten und Auswahlgespräche den Sprung in den Elitebereich schaffen – ob es sich nun um den Masters-Studiengang „Osteuropastudien“ in Erlangen, München und Regensburg handelt, die Einführung von so genannten „Honors“-Studiengängen an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Regensburg oder den englischsprachigen „Master of Science“ im Bereich Technology Management an der Technischen Uni München.

Dafür sollen eine hohe Betreuungsdichte und internationale Ausrichtung garantiert werden. Für Doktoranden strebt der Freistaat gar eine angemessene Bezahlung an. Herausragende ausländische Dozenten und junge Wissenschaftler sollen verstärkt eingebunden werden. Insgesamt plant die bayerische Landesregierung rund 220 zusätzliche Stellen für das Elitenetzwerk ein. Diese sind aus dem Streichen des „Arbeitstages zur besonderen Verwendung“ bei den Beamten entstanden, was Wissenschaftsminister Thomas Goppel kühl als „Opfer der Beamten zugunsten der Spitzenförderung“ kommentierte.

Trotzdem bleibt die Finanzierung der Elitestudiengänge ein Knackpunkt. Der Freistaat stellt für die ersten fünf Jahre gemeinsam mit Wirtschaftsunternehmen 14 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist nicht wenig, doch die Finanzierung über das Jahr 2009 hinaus bleibt einstweilen ungeklärt. Die Zusage weiterer Mittel will Ministerpräsident Edmund Stoiber vom Gelingen der ehrgeizigen Projekte und von der wirtschaftlichen Lage in Bayern abhängig machen. Angesichts der unmittelbar nach der jüngsten Landtagswahl verhängten drakonischen Sparmaßnahmen auch im Bildungsbereich werden die Eliten von morgen vorerst also mit einer gewissen Unsicherheit leben müssen. Aber vielleicht gehört das ja auch zu den besonders realitätsnahen Herausforderungen der Spitzenausbildung.

Im Frühsommer dieses Jahres wird ein zweites Auswahlverfahren ausgeschrieben, für das sich auch Fachhochschulen bewerben können. Insgesamt plant man in Bayern mit 30 Eliteangeboten, an denen insgesamt 2.000 Studierende und 120 Nachwuchswissenschaftler beteiligt sein sollen. Damit, betont Edmund Stoiber, „liegen wir selbst international im Spitzenfeld, was mir wichtig ist“. Wenn bloß das Geld reicht – die Breitenförderung soll laut Stoiber jedenfalls nicht zugunsten der Hochbegabten gekürzt werden.

JÖRG SCHALLENBERG