Marokkaner gesucht

Sie sind verdächtig, die Bomben in Madrid gelegt zu haben. Algerier soll mit Anschlägen gedroht haben

MADRID taz ■ Die baskische Polizei hat gestern einen algerischen Immigranten in San Sebastián festgenommen. Der junge Mann soll im Januar, als er wegen Drogenhandels festgenommen worden war, gedroht haben: „Wir werden viele Madrider töten. Wir werden den Bahnhof Atocha mit Leichen füllen.“ Nach den Anschlägen gegen die Pendlerzüge am Donnerstag in Madrid schrieb die Polizei den Algerier zur Fahndung aus.

Damit sitzen mittlerweile sechs Männer – ein Algerier, drei Marokkaner und zwei Inder – in Haft. Weiter fünf Marokkaner werden von den spanischen Behörden gesucht. Sie sollen zusammen mit dem bereits am Samstag festgenommen Dschamal Sugam die Bomben in den Todeszügen deponiert haben. Reisende, die die Anschlagsserie überlebten, wollen Sugam und die Gesuchten auf Fotos wiedererkannt haben. Die Beamten gehen davon aus, dass noch weitere Täter an der Vorbereitung und Durchführung der Attentate beteiligt waren. Dabei wurden nach letztem Stand 201 Menschen getötet und 1.500 verletzt.

Sugam scheint eine der Schlüsselfiguren des Dramas von Madrid zu sein. Der 30-jährige Mann aus dem nordafrikanischen Tanger unterhielt zahlreiche Kontakte zu einer mutmaßlichen spanischen Al-Qaida-Zelle, die wiederum von dem bekannten spanischen Untersuchungsrichter Baltasar Garcón mit der Vorbereitung des 11. Septembers in Zusammenhang gebracht wurde.

Außerdem ist Sugam mit den Brüdern Benyaich gut befreundet. Beide sollen die Selbstmordanschläge im marokkanischen Casablanca im Mai vergangenen Jahres, bei dem 45 Menschen starben, führend mit vorbereitet haben. Einer von ihnen, Eddin Benyaich, „Abu Mughen“, sitzt deshalb in Spanien in Haft, sein Bruder Abdelasis in Marokko.

Die spanischen und marokkanischen Ermittler untersuchen jetzt, ob Abu Mughen auch der Kopf hinter den Anschlägen von Madrid ist. Gestern erlag das 201. Opfer seinen dabei erlittenen Verletzungen.

Die Ermittler versuchen derweilen, die Spur der 150 Kilogramm Sprengstoff, die bei den Anschlägen zum Einsatz kamen, nachzuvollziehen. Das Dynamit, Goma 2 Eco, wurde in einer spanischen Fabrik hergestellt. Die Beamten untersuchen, ob irgendwo in einem der rund 10.000 Sprengstoffdepots im Lande etwas fehlt. Da in diesen Depots nur kleine Mengen aufbewahrt werden, müssten die Täter mindestens drei bis vier von ihnen ausgeräumt haben. Deshalb vermutet die Polizei, dass es sich um einen „Reimport“ handelt. Die Herstellerfirma beliefert neben Frankreich auch die arabische Welt. Es besteht der Verdacht, dass einer der fünf gesuchten Marokkaner in der Bergbauschule im französischen Nancy studiert haben könnte. Das Bekennervideo, auf dem ein angeblicher „militärischer Europasprecher“ im Namen von al-Qaida die Anschläge mit der spanischen Beteiligung am Irakkrieg begründet, wird mittlerweile von den Behörden als authentisch angesehen. Jedoch ist weiterhin unklar, wer der Mann ist, der sich als Abu Duchan al-Afghani vorstellt.

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