Fernsehen wird uncool

Ministerin Renate Schmidt will Kindern und Eltern die richtige Mediennutzung beibringen

aus Berlin ULRICH SCHULTE

Nachhilfe in punkto Medienkompetenz braucht Bundesfamilienministerin Renate Schmidt nicht: „Es ist Körperverletzung, wenn man einem vier- oder fünfjährigen Kind einen eigenen Fernsehapparat ins Kinderzimmer stellt.“ Klatsch. Auch Schulkinder bräuchten keinen eigenen Fernseher. Klatsch. So funktioniert Pressearbeit: Um eine neue Initiative vorzustellen, rief Schmidt die Medien zu sich, watschte sie dann ab und sicherte durch Letzteres das Interesse fürs Erstere.

Mit der Aktion „Schau hin!“ (www.schau-hin.info), einem ganzen Bündel von Projekten, will Schmidt Kindern beibringen, bewusst fernzusehen und Computer zu spielen. Außerdem, so ein wichtiges Kampagnenziel, sollen sich Eltern mehr für das interessieren, was ihr Nachwuchs täglich auf den Schirm bekommt. „Kinder brauchen Eltern, die gemeinsam mit ihnen Medien sinnvoll nutzen“, sagte Schmidt weiter – und notfalls Regeln für den täglichen Konsum setzten.

Lässt medial erfahrene Gewalt auch im wirklichen Leben schnell zuschlagen? Während sich an dieser Frage Generationen von Medienwissenschaftlern ohne einheitliches Ergebnis abgearbeitet haben, ist wenigstens ein Zusammenhang belegt: Sieben- und achtjährige Kinder sitzen in Deutschland im Schnitt 90 Minuten täglich vor der Glotze. Wenn der eigene Fernseher im Kinderzimmer steht, sind es zwei Stunden, sagt Pädagoge Wilfried Hendricks von der Technischen Universität Berlin, der die Aktion „Schau hin!“ wissenschaftlich begleitet.

Ein Projekt des Pakets startete bereits gestern an einer Berliner Gesamtschule: 100 Schüler sollen sich in Teams mit der Produktion von Fernsehnachrichten, Daily Soaps oder Computerspielen auseinandersetzen. In Exkursionen, etwa ins ARD-Hauptstadtstudio, treffen sie Medienmacher und können ihre Fragen anbringen. Eltern sollten durch Hausaufgaben mit einbezogen werden, so Hendricks weiter – statt Mathe-Büffeln nach dem Abendbrot dräut also die gemeinsame Simpsons-Rezeption.

Die Ergebnisse der Schüler und die wissenschaftliche Expertise sollen in einem „Medienpass“ zusammengefasst werden: Eine Art Selbsttest für Eltern mit Informationen, Erziehungstipps und Wissensfragen, der künftig zweimal im Jahr veröffentlich werden soll. Praktischerweise gehört eine große TV-Zeitschrift zu den Medienpartnern.

Ministerin Schmidt kündigte gestern zugleich eine neue Diskussionsrunde zum Thema „Medien gegen Gewalt“ im Kanzleramt am 16. Juni an, eine Neuauflage des Treffens vor gut einem Jahr. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte nach dem Amoklauf eines Schülers in Erfurt mit Medienvertretern über Gewaltdarstellungen im Fernsehen und Computerspielen diskutiert.