h.g. hollein Wechseljahre

Der Lebensabschnitt, in dem ich dümpele, gilt gemeinhin als kritisch. Zumindest für 47-jährige Männchen der Spezies homo sapiens mitteleuropäensis. Da steht einiges ins Haus. Als da wären: die Sinnfrage zu beantworten (Soll das schon alles gewesen sein?), der Aus- und Aufbruch zu neuen beruflichen Ufern, der Austausch der alten gegen eine neue – möglichst junge – Gefährtin. Die alte hält da ja nicht so viel von. Ich solle das mal lieber ganz ruhig angehen lassen, morgen sei auch noch ein Tag, und überhaupt würde das ganze Gerede von der midlife crisis viel zu hoch gehängt. Die Sinnfrage wolle sie mir schon beantworten. Nein, das müsse nicht alles gewesen sein, ein paar Euro mehr zur Auspolsterung unseres Nestchens dürfte ich schon nach Hause bringen. Was den Aufbruch zu neuen beruflichen Ufer anginge, hätte ich mit acht Jahren Universität, neun Jahren Einzelhandel und noch einmal neun Jahren im Mediengewerbe mein biostatistisches Soll bereits übererfüllt, schließlich habe jeder Fluss qua Definition nur zwei Ufer. Bliebe die Sache mit der Neuen. Die Gefährtin würde sich nächste Woche die Haare rot färben lassen, da hätte ich an Neuem fürs Erste genug zu verdauen. Außerdem habe sie sich von einem jungen Kollegen ein paar absolut angesagte Dancefloor-CDs ausgeliehen. Sollte ich mal reinhören. Habe ich. Hm. Sehr hm. Angesichts des Umstandes, dass ich gerade eine Neigung zu zünftigen Barockopern an mir zu beobachten beginne, kämen mir die Anforderungen von so viel jugendlichem Groove im Moment ehrlich gesagt ein bisschen ungelegen. Wie die Gefährtin schon sagte: Morgen ist auch noch ein Tag. Selbst der alte Goethe hat gewartet, bis er 74 war, bevor er einer 19-Jährigen einen Antrag machen ließ.