Hoffentlich kein Schwein gehabt!

Andere Kulturen, andere Essgewohnheiten – wer sich aus religiösen Gründen an Ernährungsgeboten orientiert, steht beim Kauf von Lebensmitteln und Mahlzeiten vor der Frage: „Was ist drin?“ Infos und ausgewählte Angebote gibt es, aber selten

von VOLKER ENGELS

Touristen, die mit dem Flugzeug in ein islamisches Land reisen, werden häufig schon auf dem Flug mit für sie neuen Essgewohnheiten konfrontiert: Ein durchgestrichenes Schweinchen lächelt freundlich von einem Stück Papier, dass in der Plastikschale liegt, in der das Bordessen serviert wird. Die Botschaft ist kinderleicht zu verstehen: Dieses Essen ist frei von Schweinefleisch.

Nicht allein Schweinefleisch oder Alkohol sind für gläubige Muslime tabu. Auch Produkte, die aus Schweinefleisch gewonnen wurden, wie zum Beispiel Emulgatoren und Fette, dürfen nicht verzehrt werden.

Die Kennzeichnung von Lebensmitteln nach religiösen Vorschriften, die bei vielen Airlines heute zum Standard gehört, ist in den meisten Berliner Restaurants oder öffentlichen Kantinen die Ausnahme. Das Essen wird bestenfalls noch als vegetarisch oder biologisch klassifiziert.

Anders an den Universitäten der Hauptstadt: Seit Jahren werden die Gerichte an den Berliner Hochschulen nicht nur nach der gesetzlich vorgeschriebenen Lebensmittelverordnung gekennzeichnet: „In unseren Mensen geht klar aus dem Speiseplan hervor, ob ein Essen mit Schweinefleisch oder Alkohol zubereitet wurde“, sagt Peter Morgenstern vom Studentenwerk, das die meisten Berliner Unimensen betreibt. Bereits in den 80er-Jahren habe das Studentenwerk den Nachfragen muslimischer Studierender Rechnung getragen. Diesen Service, sagt Morgenstern, würden die Studierenden „als Selbstverständlichkeit ansehen“. Besonders aufwendig sei es nicht, das Essen nach seinen Inhaltsstoffen auszuzeichnen: „Jeder Koch weiß doch genau, was er verarbeitet.“ Strenggläubigen Muslimen dürfte dies allerdings nicht genügen: So richtig gottgefällig ernähren sich diese nämlich nur dann, wenn das Tier nach der umstrittenen Prozedur des Schächtens, also ohne Betäubung, geschlachtet wurde.

Welche Lebensmittel Muslime essen dürfen und von welchen sie besser die Finger lassen, verrät ein Ratgeber, den die Verbraucherzentrale in Bremen herausgebracht hat. Auf rund 35 Seiten finden sind von Molkereiprodukten, Backwaren und Fertiggerichten bis hin zu Süßigkeiten und Babynahrung Produkte aufgeführt, die mit den islamischen Speisegesetzen übereinstimmen. Fleisch- und Wurstwaren sind in dem Einkaufsratgeber allerdings nicht aufgeführt, weil sich in der Regel nicht erkennen lässt, ob das Fleisch aus einer nach muslimischem Glauben reinen Schlachtung stammt.

Orthodoxe Juden, die sicher sein wollen, dass koschere Lebensmittel im Einkaufskorb liegen, sollten ihren Einkauf in Berlin in einem der koscheren Lebensmittelgeschäfte erledigen. Denn eine verbindliche Liste, die koschere Lebensmittel aufführt, gibt es bislang noch nicht. „OrthodoxeJuden wollen sicher sein, dass auch die Gummibärchen oder die Schokolade tatsächlich frei von tierischen Inhaltsstoffen sind“, sagt Judith Kessler von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Immerhin erhalten viele der bunten Gummibärchen ihren Glanz und ihre Stabilität durch Gelatine, die aus Schweinefleisch gewonnen wurde.

Neben Inhaltsstoffen und Art der Zubereitung sei es für strenggläubige Juden ebenfalls wichtig, dass „ein Rabbiner die Oberaufsicht führt“, so Kessler. Der jüdische Geistliche achtet zum Beispiel darauf, dass das Fleisch von geschächteten Tieren stammt oder Milch- und Fleischprodukte getrennt zubereitet und auf unterschiedlichem Geschirr serviert werden. Ein Zertifikat zeugt davon, dass bei der Zubereitung der Speisen alles mit gottgefälligen Dingen zugeht.

Diesen Ansprüchen werden in Berlin gerade einmal zwei Restaurants gerecht: das Ostberliner Beth-Café, das vegetarische Gerichte und Fisch anbietet, und Berlins ältestes koscheres Restaurant, die Arche Noah in Charlottenburg. Hier stehen auch jede Menge Fleischgerichte auf der Speisekarte.

Etwas entspannter kommt der so genannte Koscher-Style daher, den in Berlin drei Restaurants servieren: Ein Schweineschnitzel gibt es auch hier nicht, weil nur Fleisch von erlaubten Tieren zubereitet wird. Diese wurden jedoch nicht geschächtet, sondern erst nach einer Betäubung geschlachtet. Milch- und Fleischgerichte werden in Restaurants, die im „Koscher-Style“ kochen, nicht vermischt; jedoch gibt es kein getrenntes Geschirr für milchige und fleischige Speisen.

Ein Glas Wein zum Essen dürfen sich nicht nur liberale Juden genehmigen: Denn solange der Rebsaft koscher, also nach festgelegten religiösen Regeln angebaut und verarbeitet wurde, ist er auch orthodoxen Juden erlaubt.

Der Ratgeber für muslimische Verbraucher steht unter www.verbraucher zentrale-bremen.de, Infos zum Thema koscheres Essen in Berlin gibt es unter www.berlin-judentum.de