Faule Fische vor Gericht

Die Wahrheit und ihre „Los Prozesswochos“ – eine schier unendliche Geschichte. Nachdem der Penis-Prozess gegen den Bild-Chefkoch Kai Diekmann vor kurzem abgesagt worden ist, bieten wir jetzt als Hauptgericht den Fall „Krämer gegen taz“, den so genannten Plagiatsprozess.

Der Dortmunder Statistikprofessor Walter Krämer hat die taz und den Wahrheit-Redakteur Michael Ringel auf ein Schmerzensgeld von jeweils 9.000 Euro verklagt. Am 26. Oktober 2002 erschien auf der Wahrheit-Seite unter dem Titel „Im Eintopf faule Fische“ eine Rezension zu Krämers im Eichborn-Verlag erschienenen Buch „Lexikon der Städtebeschimpfungen“. Darin weist Ringel nach, dass der Bestseller-Autor eine Vielzahl von Zitaten aus dem Reclam-Band „Öde Orte“ sowie aus Büchern und Zeitungen ohne Quellenangaben übernommen hat. Betroffen von der Urheberrechtsverletzung waren neben dem Reclam Verlag die Verlage Hoffmann & Campe und Suhrkamp sowie diverse Zeitungen, freie Autoren und auch die taz, denn Krämer hatte ausgerechnet einen Wahrheit-Text von Ringel ungefragt in sein Buch übernommen.

Mit den Vorwürfen konfrontiert, entschuldigte sich der Eichborn-Verlag bei den Betroffenen, zahlte ein Ausgleichshonorar und kündigte an, keine weiteren Auflagen des „Lexikons“ mehr zu drucken. Der Buchherausgeber Walter Krämer allerdings erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die taz und Ringel, die das Landgericht bereits im Januar 2003 wieder aufhob. Auch der Deutsche Presserat wies eine Beschwerde gegen die taz, die Krämer angestrengt hatte, als unbegründet zurück. Am kommenden Dienstag, 20. Mai, wird das Berliner Landgericht nun den Fall verhandeln.

Krämer, der neben seiner Lehrtätigkeit an der Universität Dortmund Vorsitzender des „Vereins Deutsche Sprache e. V.“ ist, will vor allem die Behauptung nicht mehr verbreitet sehen, sein Lexikon sei ein „astreines Plagiat“. In verschiedenen Interviews hat Krämer bereits angekündigt, im Falle einer Niederlage vor dem Landgericht „bis vor den Bundesgerichtshof“ zu gehen. Kommentar des Wahrheit-Redakteurs Michael Ringel: „Sollte der Dieb, der den Bestohlenen verklagt, den Prozess gewinnen, dann heißt die Wahrheit künftig die Fisch-Seite.“ TAZ