Brave Fürbitten ...

... penibel quotiert: Kirchlicher Segen für die Abgeordneten der neuen Bürgerschaft

Predigen hochrangige Kirchenleute vor Bürgerschaftsabgeordneten, ist man versucht, jedes Wort als politische Äußerung zu interpretieren. Der katholische Erzbischof Werner Thissen und die nordelbische Bischöfin Maria Jepsen wägten ihre Worte beim ökumenischen Gottesdienst zur Eröffnung der Legislaturperiode aber so sorgsam, dass sich keine politische Präferenz aus ihnen herauslesen ließ – so sehr die CDU zumindest Jepsen in der Vergangenheit unterstellt hat, den Rechts-Senat zu kritisch zu sehen. Der kirchenpolitische Sprecher, Wolfgang Beuß, hatte sie im Vorjahr gar als „kein Segen für die Stadt“ attackiert. Gestern sprach er brav eine Fürbitte, die sich mancher Abgeordnete zu Herzen nehmen sollte: „Hilf uns, Zeiten der Stille als Quelle von Kraft zu erkennen.“

Zuvor wurde aber noch geredet: Thissen mahnte, auch Abgeordnete seien frei geboren: „frei von Konsum-, Profilierungs- und Fraktionszwang“. Zudem sollten sie nicht vergessen, dass „alle Menschen die gleiche Würde haben, auch Ausländer, Asylbewerber, Straffällige“. Ähnlich äußerte sich auch Jepsen, die den ParlamentarierInnen das Ziel auf den Weg gab, „eine gerechte soziale Ordnung in dieser Stadt zu schaffen“. Als Vertreterin der Kirche habe sie „manchmal einen anderen Blick auf Menschen als Sie Abgeordnete“, befand die Bischöfin und wünschte sich den „Willen zur Friedensliebe“.

Danach sprachen sechs Abgeordnete die Fürbitten, streng quotiert nach dem Wahlergebnis: drei von der CDU, zwei der SPD und Fraktionschefin Christa Goetsch für die GAL. SPD-Innenexperte Michael Neumann wünschte sich dabei „Wahrheit und Wahrhaftigkeit“, das erinnerte sehr an den SPD-Wahlkampfslogan von Klarheit und Wahrheit.

Den kirchlichen Segen holte sich auch die fast komplette Riege der CDU-SenatorInnen – es fehlten nur Bürgermeister Ole von Beust und sein Justizsenator Roger Kusch. PETER AHRENS