Perschaus Verstand

Eine öffentliche Debatte über die SSW-Werft sei schädlich, sagen die Fraktionen – und debattieren öffentlich darüber

Bremen taz ■ Für die Neuntklässler, die gestern in der Sitzung der Bremischen Bürgerschaft zu Gast waren, gab es viel zu lernen. Anschaulicher kann kein Lehrer darstellen, was unter „parlamentarischen Fensterreden“ und „politischer Inszenierung“ zu verstehen ist. Nachdem alle Fraktionen des Parlaments in einer Aktuellen Stunde lautstarke Solidaritätsadressen an die Mitarbeiter der finanziell angeschlagenen Bremerhavener Schichau Seebeck Werft (SSW) geschickt und einmütig einen Unterstützungs-Antrag verabschiedet hatten, setzten sich SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen und sein Vize Siegfried Breuer aus Bremerhaven mit SSW-Arbeitern mitten in die Obere Rathaushalle. Die Herren tranken Kaffee mit den Arbeitern, lauschten deren Sorgen – und ließen sich dabei von Fernsehkameras abfilmen.

In der Debatte hingegen hatten sich zuvor Redner aller Fraktionen gegenseitig damit überboten zu betonen, wie ungeeignet die Thematik Rettung der SSW-Werft für die politische Profilierung sei. „Wir sollten den Schwarzen Peter nicht hin- und herschieben“, sagte Breuer, das Thema eigne sich „nicht für eine öffentliche Debatte“, sagte FDP-Mann Willy Wedler, und die Grünen-Fraktionschefin Karoline Linnert mokierte sich über „das leider ziemlich große öffentliche Begleitgetöse“. Einig waren man sich auch darin, dass die für Bremerhaven wichtigen 380 Arbeitsplätze auf der SSW-Werft und die Jobs bei den Zulieferbetrieben unbedingt erhalten werden sollten – dass dies aber nur über Brüssel möglich sei. „Es ist für Bremen existenziell erforderlich, sich an die Spielregeln der EU zu halten“, so Linnert.

Auch Wirtschafts- und Häfensenator Hartmut Perschau (CDU) wies auf die schwierigen Bedingungen für Beihilfen hin, die mit dem Regelwerk der EU vereinbar sind. Man sei in einer „sehr komplizierten und schwierigen Situation“, sagte Perschau – und ließ sich zu einem bemerkenswerten Seufzer hinreißen: „Die Zeiten sind so kompliziert – das kann uns fast um den Verstand bringen.“ Weder die EU noch die Kreditaufbau für Wiederaufbau, die über die Rechtmäßigkeit von Beihilfen zu befinden hätten, seien „Befehlsempfänger des Bremer Senats“. jox