Gute Gründe, den Krieg abzulehnen

betr.: „Die Terrorgefahr in Europa ist real – und Appeasementpolitik gefährlich“, Kommentar von Klaus Hillenbrand, taz vom 15. 3. 04

Irritierend und nicht nachvollziehbar für den einfachen Leser, wie Journalisten mit diesem unmenschlichen fatalen Ereignis umgehen. Gestern war noch helle Aufregung, weil „Druck“ auf die Journalisten (Henk Boom) ausgeübt wurde („Terror geht von ETA aus“), und heute wird das Verhalten von Zapatero als Kniefall vor dem Terrorismus bewertet und vor Appeasementpolitik (Beschwichtigungspolitik; warum muss hier ein englischer Begriff herhalten?) gewarnt!

Sie schreiben u. a., „dass viele Spanier jetzt die Beteiligung am Irakkrieg verfluchen“. Ich kann mich erinnern, in den Medien gelesen zu haben, 90 Prozent der Spanier waren gegen die Vorgehensweise der spanischen Regierung. Frage: jetzt erst die Verfluchung oder schon vorher keine Zustimmung?

Aber zurück zu Ihrer Warnung, dass Beschwichtigungspolitik die Demokratie, die Freiheit und den westlichen Lebensstil (scheint Ihnen sehr sehr wichtig!) zum Objekt des Geschachers machen. Als Warnung klingt das sehr eindringlich, und die lassen Sie auch als solche einfach stehen. Welche Politik ist anzuwenden, um Terrorgefahr zu bannen?? Haben Sie ein Konzept, einen Vorschlag oder sogar mehrere? Nachdenklich gestimmt, frage ich mich immer wieder, warum immer nur über die Auswirkungen diskutiert, den Ursachen – dem eigentlichen Übel – nie nachgegangen wird. Zu guter Letzt könnte sein, dass sich Zapatero – unerfahren in den außenpolitischen Wirren und Gefahren – zu sehr hinausgelehnt hat und sich selbst in die Gefahr begibt, darin umzukommen. Tragen Sie mit Ihren Kommentaren doch dazu bei, Lösungen zu finden.

SYLVIA MEINHART, Salzburg, Österreich

Sicherlich stimmt es, dass man aus Angst keine Appeasementpolitik betreiben sollte. Der Begriff Appeasementpolitik kam mir das erste Mal vor dem Irakkrieg in den Sinn, als auf einmal doch der von den USA eingereichten UN-Resolution zugestimmt wurde, obwohl nicht viel an den vorherigen Fassungen verändert worden war.

MICHAEL BECKERT, Gera

Endlich einmal ein Kommentar, der die Situation so beschreibt, wie sie ist. KLAUS ZINNER

Wer „europäische Interessen am Hindukusch“ mit militärischen Mitteln verteidigen will, muss sich vergegenwärtigen, dass „die vom Hindukusch“ mit den ihnen zur Verfügung stehenden Gewaltmitteln ihre Interessen auch in Europa vertreten. Ob dies in Madrid der Fall war, ist noch unbekannt. Dabei erscheint mir angesichts der Al-Qaida-untypischen Durchführung der Anschläge die auf der taz-Brennpunktseite genannte „Irak-Geheimdienst + radikalisierte Etarras-Hypothese“ als plausibler (seltsamerweise erwähnt auch die taz die augenscheinliche Parallele zum Bologna-Bahnhofs-Attentat, für das wahrscheinlich mit der berüchtigten Loge „P 2“ zusammenhängende rechtsradikale Täter verantwortlich waren, nur in einer abwertenden Randbemerkung auf der Kulturseite).

Jedenfalls muss, wer Kriege in anderen Ländern beginnt, damit rechnen, dass der Krieg zu ihm zurückkommt. Dies zu vermeiden, gehört daher sehr wohl zu den „guten Gründen“, gegen die Kriege im Mittleren Osten zu sein. Ob sich eine solche Position aufrechterhalten lässt, wenn der Krieg schon begonnen ist, ist eine andere Frage. Aber jedenfalls geht es nicht um eine Bekämpfung „blindwütigen Terrors“, sondern letztendlich auch um „militärstrategische Überlegungen“, egal, ob der Gegner mit Bombern oder mit Rucksackbomben kämpft. HORST SCHIERMEYER, Zittau

Klaus Hillenbrand hat richtig festgestellt: „Es gibt gute Gründe, diesen Krieg abzulehnen.“ Und genau diese Gründe waren auch schon vor den Anschlägen in Madrid der Grund für die Sozialistische Partei und viele Spanier, diesen Krieg abzulehnen. Der Zeitpunkt der Ankündigung eines tatsächlichen Truppenabzugs aus dem Irak mag nicht gut gewählt sein, aber eine Verlängerung der spanischen Besetzung im Irak – jetzt erst recht – wäre genauso durch die Anschläge diktiert. Noch schlimmer, durch die Anschläge hätte sich die Sozialistische Partei die verhasste Linie ihrer Vorgänger aufzwingen lassen. Mag also sein, dass die Anschläge dem lange angekündigten Truppenabzug den Anschein eines Kniefalls vor dem Terrorismus geben, aber ganz im Gegenteil – die Beibehaltung dieser Politik des Friedens trotz der schweren Anschläge, die zeugt wirklich von Stärke! NORBERT WENZEL, Hagenberg/Mühlkreis, Österreich

Hillenbrands Kommentar verkennt die innenpolitischen Realitäten in Spanien und die Motivationslage der spanischen Wähler. Aznars Politik schrieben die Spanier eine gewisse wirtschaftliche Erholung zu, doch mehr als 10 der 30 Millionen Stimmen sind für seine konservative Partido Popular auch unter optimalen Bedingungen kaum drin.

Die im Vergleich zu 2000 um etwa 9 Prozent höhere Wahlbeteiligung (zusätzlich etwa 2,7 Millionen Wähler) dürfte zum allergrößten Teil dem jungen, zwar als unerfahren, aber auch glaubwürdig eingeschätzten sozialistischen Herausforderer Zapatero zugute gekommen sein. Viele Spanier fühlten sich angewidert von der Taktiererei der Regierung in den Tagen vor der Wahl und dabei erinnert an die allzu offensichtlichen Lügen im Vorfeld des Irakfeldzuges. Sie sehen die Mitverantwortung Aznars für die vielen Kriegstoten – zahlreiche Soldaten und ungezählte (!) Zivilisten – wie für die mehr als 200 Toten von Atocha. Dabei muss ihnen niemand erklären, was Terrorismus bedeutet, sie kennen die tödliche Gefahr heimtückischer Anschläge seit 30 Jahren.

Nun hat das spanische Wahlvolk von seinem Recht Gebrauch gemacht, eine als schlecht empfundene Außen- und Informationspolitik abzustrafen. Im Interesse einer deutlichen Korrektur internationaler Politik bleibt zu hoffen, dass den amerikanischen Präsidenten in wenigen Monaten das gleiche Schicksal ereilt. Ohne Zweifel würde dies „Nachahmungstätern“ auf Jahre hinaus die Lust auf unverantwortliche und menschenverachtende militärische Abenteuer verleiden. TARIK TELL, Puerto Cruz, Teneriffa

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die erscheinenden Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.