Fluglärm: Jagd auf jedes Dezibel beginnt

Schon in den nächsten Jahren könnten Flugzeuge nur noch halb so viel Krach machen – spielen Lufthansa und Co mit

BERLIN taz ■ Für 40 Prozent aller Deutschen gibt es ein wenig Hoffnung. Denn so viele Bundesbürger plagt derzeit der Fluglärm. Und der lässt sich bis 2020 trotz zunehmenden Luftverkehrs halbieren. Das sagten gestern jedenfalls Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Fünf Jahre lang haben sich die Ingenieure, Mediziner und Akustiker mit „leisem Flugverkehr“ und entsprechenden Techniken in einem 15 Millionen Euro schweren Forschungsprojekt beschäftigt.

„Wir können nicht warten, bis sich 2050 eine neue Flugzeuggeneration durchsetzt“, warnte DLR-Vorstand Joachim Szodruch. „Wir müssen schon jetzt jedem Dezibel nachjagen.“ In Dezibel messen die Forscher den Krach. Der könnte ohrenbetäubend zunehmen, ändert sich nichts: Fliegen heute bereits knapp 16.000 Boeings, Airbusse oder Tupolews um den Globus, werden es in zwanzig Jahren mindestens doppelt so viele sein.

Angesichts dieser Prognosen hat die Europäische Kommission schon 2001 in ihrem Weißbuch Verkehrspolitik gefordert, Flugzeuge müssten 10 bis 12 Dezibel leiser werden – was der angekündigten Halbierung des Lärms gleichkommt. „Das sind dann durchaus akzeptable Lärmpegel“, sagt Heinrich Weyer vom DLR-Institut für Antriebstechnik. Um sie zu erreichen, brauche es aber verschiedene Zwischenschritte. Schon in den nächsten fünf Jahren könne der Lärm aber zum Beispiel durch „leichte Modifikation an den Triebwerken“ um bis zu 3 Dezibel gemindert werden. Dazu müssten kleine Mikrofone und Lautsprecher eingebaut werden. Erstere nähmen den Schall auf, Letztere reagierten dann mit Antischall. Der Ton würde quasi aufgehoben.

Zudem wollen die Techniker die Ventilatoren in den Triebwerken anders designen. Das sei ähnlich effektiv, brauche aber ein wenig länger. Große Effekte erwarten sie zudem, wenn Piloten Flughöhe und Geschwindigkeit bei Starts und Landungen optimieren. Doch was sich einfach anhört, ist in der Praxis meistens schwieriger: Für die Planung derart neuer Routen rechnen die Wissenschaftler bis zu zehn Jahre ein. Und zwanzig Jahre soll es noch dauern, bis die Techniker leise Flugzeuge komplett neu designt haben.

Allerdings: Offenbar stören die lauteren Düsenjets von heute die Ruhe längst nicht so stark wie von vielen behauptet. Das ist das erstaunliche Ergebnis einer Studie zum Nachtfluglärm, die das DLR gestern auch präsentierte. Die Untersuchung von knapp 200 Menschen in gut 2.200 Nächten „deutet darauf hin, dass der Schlaf geringer beeinträchtigt wird, als man es bislang vermutet hat“, sagt Alexander Samel vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin.

Die Bundesregierung sei dennoch gefragt, stellte Joachim Szodruch noch einmal klar. Sie verspricht seit Jahren, das hoffnungslos überalterte Fluglärmgesetz zu novellieren – und kommt nicht voran. „Das DLR kann nur das Know-how liefern, aber nicht das leise Flugzeug, das beste Triebwerk bauen“, betont auch Ulrich Isermann. Was das Lufthansa, British Airways oder Air France kosten wird? „Alles bezahlbar“, versprechen die Forscher. HANNA GERSMANN