Eichel: Nehmt mich nicht so ernst

Minister stellt eigene Wachstumsprognose in Frage. Länder leiden unter Steuerausfällen

BERLIN taz ■ Die Halbwertszeit von Wirtschaftsprognosen der Bundesregierung beträgt noch wenige Stunden. Nachdem Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) am Donnerstagmittag 0,75 Prozent Wirtschaftswachstum zur Basis seiner Steuerschätzung erklärt hatte, korrigierte er die Zahl abends im Fernsehen. Es könne auch weniger sein, ließ sich der Minister vernehmen. Auch die grüne Finanzexpertin Christine Scheel ging von einem geringeren Wachstum aus.

Die Steuerausfälle von knapp 9 Milliarden Euro in diesem Jahr und rund 126 Milliarden bis 2006 hatte Eichel unter anderem auf die Wachstumsprognose von 0,75 Prozent in 2003 gestützt. Ein geringerer Zuwachs des Bruttoinlandprodukts bedeutet weitere Mindereinnahmen.

Bei der Verlässlichkeit der Ankündigungen zur Krisenbewältigung sieht es ähnlich aus wie bei der Prognose. Verschiedene Koalitionspolitiker forderten oder verwarfen verschiedene Einspar- und Einnahmemöglichkeiten. Dazu gehörten die Mindeststeuer für Unternehmen, die Abschaffung der Begünstigung von Nacht- und Sonntagszuschlägen und eine höhere Mehrwertsteuer. Ein klares Bild zeichnete sich nicht ab.

Währenddessen bezifferten einzelne Bundesländer ihre jeweiligen Steuerausfälle, die sich aus der neuen Schätzung von dieser Woche ergeben. Berlin hat ein zusätzliches Defizit von 63 Millionen Euro in diesem Jahr zu verkraften. In den kommenden vier Jahren sind es immerhin rund 100 Millionen. In Niedersachsen schlägt die neue Schätzung mit einem Minus von insgesamt 350 Millionen zu Buche. Die dortige Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) will dafür keine neuen Schulden machen, sondern weiter sparen.

Die baden-württembergische Landesregierung plant währenddessen den größten Personalabbau in der Geschichte des Landes. Die Koalition von CDU und FDP erwägt, in den kommenden acht Jahren über 20.000 Stellen zu streichen. Dies wären rund zehn Prozent von rund 215.000 Planstellen der gesamten baden-württembergischen Landesverwaltung. HANNES KOCH