Ein Exkronprinz auf kleinerem Schlachtfeld

Sigmar Gabriel, Niedersachsens Oppositionschef, hat Wahlniederlage und Abschied von der Macht schlecht verkraftet

HANNOVER taz ■ „Willkommen bei Sigmar Gabriel. Die Seite wird zurzeit überarbeitet“, steht noch immer auf der Homepage „www .sigmar.de“, auf der sich früher der niedersächsische Ministerpräsident persönlich darzustellen pflegte. Und auch der Mensch Sigmar Gabriel hat Wahlniederlage und Abschied von der Macht noch nicht wirklich überwunden.

Der 43-jährige heutige Chef der SPD-Landtagsfraktion in Hannover betont zwar gern, die Debatten im Landtag würden ihm auch aus der Opposition heraus Spaß machen. Doch er fügt hinzu: „Schlimm ist, dass man nichts mehr durchsetzen kann. Ich bin 43 Jahre alt, und es ist nicht ausgemacht, dass ich den Rest meines Erwerbslebens als Politiker verbringe.“

Gabriel hat einen tiefen Sturz zu verkraften. Im September vergangenen Jahres galt er als kommende Führungsfigur seiner Partei – wenn die SPD die Bundestagswahl verlöre. Inzwischen hat er sich den stellvertretenden SPD-Bundesvorsitz und die Leitung der SPD-Programmkommission, die er einst für sich reklamierte, längst abgeschminkt. „Das galt immer nur für den Fall eines Wahlsieges in Niedersachsen“, betont der 43-Jährige.

Selbst an die Rolle des SPD-Kronprinzen hinter Gerhard Schröder, die er einst mit Genuss spielte, will er nur noch ungern erinnert werden. „Ich habe dem Gerd Schröder immer gesagt: Ist dir eigentlich klar, dass du mir damit Schwierigkeiten bereitest, wenn du mich immer als deinen Kronprinzen darstellst?“, behauptet er mittlerweile. „Ich bin jetzt stellvertretender Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung“, ergänzt er bewusst bescheiden.

Einfach sehr ärgerlich sei es, wenn Medien ihn immer wieder für Posten in Berlin ins Gespräch brächten. Richtig verletzt haben Gabriel allerdings einige wenig schmeichelhafte Artikel, die nach seiner öffentlichen Kritik an der Kanzler-„Agenda 2010“ erschienen und ihn in eine Reihe mit einstigen SPD-Größen wie Björn Engholm und Oskar Lafontaine stellten. Die Artikel seien „bestellt“, wettert er und nennt den vermeintlichen Drahtzieher hinter den Berichten, der in der Spitze des Bundespresseamtes sitzen soll, sogar namentlich.

Bundeskanzler Schröder hatte Gabriel nach der Wahlniederlage das durchaus faire Angebot gemacht, SPD-Spitzenkandidat bei der nächsten Europawahl zu werden. „Das habe ich ja abgelehnt“, sagt er. SPD-Fraktionschef in Hannover will Gabriel aber auch nicht unbedingt bleiben: „Es macht Sinn, darüber nachzudenken, wer mich hier ersetzen könnte.“ Über seine Zukunft werde er endgültig erst Ende des Jahres entscheiden. „Es gibt auch noch andere Dinge.“ Offiziell gelte allerdings: „Ich bin Fraktionsvorsitzender und strebe die Spitzenkandidatur 2008 an.“

An die Spitze des Landesverbands wird heute erst einmal ein anderer gewählt: Ein Parteitag der niedersächsischen Sozialdemokraten wird in Oldenburg den ehemaligen Umweltminister Wolfgang Jüttner zum neuen SPD-Landesvorsitzenden wählen. Gabriel wird bloß als Vertreter des SPD-Bezirks Braunschweig in den Landesvorstand einziehen. Vorsitzender des Bezirks Braunschweig, des nur drittgrößten der vier SPD-Bezirke, ist Gabriel erst wenige Wochen. Er trat die Nachfolge von Gerhard Glogowski an, den er einst auch im Amt des Ministerpräsidenten beerbte.

Der SPD-Landesparteitag wird sich auch mit den 3 Millionen Euro Wahlkampfschulden befassen, die Gabriel hinterlässt. Der verteidigt nun gegen die Forderungen des Landesverbandes die finanzielle Eigenständigkeit der Parteibezirke. Es ist allerdings ein kleineres Schlachtfeld, das Gabriel nun mit seinen gewohnten Methoden beackert: Dem neuen Landesvorsitzenden Jüttner sollen gleich Grenzen aufgezeigt werden. JÜRGEN VOGES