emissionshandel
: Rätselhafter Clement

Was ist nur in Wolfgang Clement gefahren? Im letzten Moment verhinderte er den erlösenden Kompromiss im nervenzehrenden Dauerstreit mit Jürgen Trittin. Im Streit um den Emissionshandel war ihm das Umweltministerium weit entgegengekommen. Nach wochenlangem Vorlauf hatten sich die Staatssekretäre der beiden Ressortchefs fast zwei Tage Zeit genommen, die endgültige Vorlage bis ins Details abzusichern. Zwei Tage, in denen Clement hätte abwinken können. Doch der Minister zog es gestern vor, kurz vor der Kabinettssitzung die Einigung abzusagen, so wie ein Schauspieler einen lästigen Interviewtermin streicht.

KOMMENTARVON MATTHIAS URBACH

Clements Verhalten wirkt wenig souverän – zumal er seinen armen Staatssekretär blamiert. Es fällt schwer, die Motive des Sozialdemokraten zu verstehen. Vielleicht wollte er die Einigung noch mal verschieben, um die Nerven des gedemütigten wirtschaftsfreundlichen Flügels in der Partei zu schonen. Denn am Sonntag soll auf einem außerordentlichen Parteitag Franz Müntefering offiziell Parteichef werden.

Vielleicht pokert Clement auch nur und reizt aus, dass er neben Otto Schily der wichtigste Minister für Gerhard Schröder ist. Ob Ausbildungsplatzabgabe oder Münteferings Inthronisierung, hat er in der Vergangenheit nicht genug einstecken müssen? So könnte die versteckte Botschaft an den Kanzler lauten: Wenn du mich nicht besser stützt, dann springe ich ab.

Macht Clement so weiter, wird der Emissionshandel noch einen ordentlichen Koalitionskrach auslösen. Schon jetzt ist Clements Unterstützung für die Blockadepolitik der Energiekonzerne für die Grünen nur schwer erträglich. Der Klimaschutz gehört zu ihren Kernthemen und war eine wichtiger Grund für die Stimmzuwächse der Ökopartei – und somit für die Wiederwahl der Koalition.

Es mutet komisch an, dass das Kanzleramt jetzt noch einmal die Vertreter der vier wichtigsten Energiekonzerne Deutschlands ins Kanzleramt lud, damit sie den Entwurf prüfen – lange bevor ihn selbst die Fraktionen zu Gesicht bekommen. Währenddessen finden die Wünsche der kleineren Stadtwerke kaum Gehör. Es hat seine Berechtigung, dass sich ein Wirtschaftsminister manchmal auch als Anwalt der Industrie sieht – nur sollte Clement endlich einsehen, dass dazu nicht nur die strukturkonservativen Großkonzerne gehören.

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