Alpen-Vulkan am Abgrund

Eishockey-Bundestrainer Hans Zach steht mit den Kölner Haien vor dem peinlichen Aus im Playoff-Viertelfinale. Ein Heimsieg heute Abend gegen Frankfurt würde das Leiden nur verlängern

Keine Ideen, keine Entschlossenheit, keine Präzision. Die Haie boten ein Bild des Jammers

VON CHRISTIANE MITATSELIS

Seit fast 20 Jahren ist Hans Zach, 54, Eishockey-Trainer. Der harte Mann aus dem bayerischen Bad Tölz hat viel erlebt und gesehen. Deshalb schrieb er eine Autobiografie mit dem schönen Titel „Ich, der Alpenvulkan“, die im vergangenen Sommer erschien. Darin stimmt er eine wenig bescheidene Hymne auf sich selbst an, erzählt sein persönliches Helden- und Erfolgsepos. Mit der Düsseldorfer EG war er zwei mal Deutscher Meister, aus der abgestürzten deutschen Eishockey-Nationalmannschaft machte er als Bundestrainer wieder ein international konkurrenzfähiges Team, bei den Kassel Huskies leistete er wertvolle Aufbauarbeit und so weiter und so weiter.

Alles schön und gut. Im zweiten Jahr als Trainer der Kölner Haie bahnt sich jedoch ein ganz dunkles Kapitel in der Zachschen Autobiografie an: Im Playoff-Viertelfinale gegen die Frankfurt Lions liegen die favorisierten Kölner in der Serie „Best of Seven“ (heißt: wer zuerst vier Spiele gewonnen hat, steht im Halbfinale) mit 1:3 zurück. Schon heute Abend in der Kölnarena (19.30 Uhr) können die Lions die Haie endgültig aus dem Wettbewerb werfen. Das schlimmste an der Geschichte: Die ansonsten stets kampf- und willensstarken Zach-Haie sind nicht mehr wieder zu erkennen, wirken plötzlich kraftlos und erschöpft – tun nicht mehr das, was ihr Trainer will. Nach dem 2:1-Sieg gegen die Lions in der ersten Begegnung der Serie verloren die Kölner die drei folgenden Spiele jeweils zu null (0:1, 0:3, 0:3). Insgesamt haben die Haie damit seit 210 Minuten und 37 Sekunden kein Tor mehr erzielt. Das hat in den Eishockey-Playoffs noch keine andere Mannschaft geschafft. „So etwas habe auch ich noch nicht erlebt“, gesteht Zach ein.

Was ist geschehen? „Wir versuchen alles, doch die Scheibe will einfach nicht ins Tor“, sagen die Spieler. „Frankfurt spielt sehr defensiv und kompakt. Sie lassen uns einfach keine Chancen, schlagen uns mit unseren eigenen Waffen“, sagt der Trainer, dessen Mannschaft zuvor eigentlich berühmt war für ihr taktisch diszipliniertes Defensivspiel. In ihren letzten drei Spielen brillierten die Kölner stattdessen nur durch verzweifeltes und konzeptloses Anrennen. Keine Ideen, keine Entschlossenheit, keine Präzision. Die Haie boten ein Bild des Jammers.

Lance Nethery, Manager der Frankfurt Lions und ehemaliger Kölner Trainer, bringt auch das berühmte „Momentum“ ins Spiel. „Der Puck läuft im Moment einfach für uns“, sagt der Kanadier. Das stimmt sicher. Doch hinzu kommt, dass die Haie völlig überfordert wirken – und nichts tun, um das Glück auf ihre Seite zu ziehen. Am Dienstagabend beim 0:3 in Frankfurt nahm die Frustration hässliche Formen an. Der 19-jährige Hai Marcus Kink checkte seinen Gegenspieler Daniel Stevens so brutal von hinten gegen die Bande, dass der Frankfurter sich das Jochbein brach. Acht Spiele Sperre und eine Geldbuße von 2.400 Euro brummte die Liga dem Kölner auf. Völlig zu Recht.

Ein klein wenig Hoffnung schimmert doch noch am Kölner Horizont. Heute Abend kehrt der mutmaßliche Heilsbringer Dave McLlwain nach auskuriertem Innenbandriss ins Team zurück. Der 36jährige, NHL-erfahrene Kanadier, mit 23 Toren und 29 Vorlagen erfolgreichster KEC-Stürmer der DEL-Vorrunde. Womöglich wird er den Kölner Torebann brechen. Zach führt unterdessen Einzelgespräche mit den Spielern, um sie aufzubauen. „Wir werden das Beste aus uns herausholen“, verspricht er.

Um seinen Arbeitsplatz in Köln muss sich Zach für den Fall des Versagens keine Gedanken machen. Im Februar unterzeichnete er einen neuen Zweijahres- Vertrag beim KEC. Und falls es den Kölner Haien doch noch gelingen sollte, die Serie zu drehen und das Halbfinale zu erreichen, dann hätte Zach schönen Stoff für ein neues, heldenhaftes Kapitel seiner Autobiografie. Arbeitstitel: „Wie ich, der Alpenvulkan, am Abgrund stand und den Mächten des Schicksals trotzte“. Oder so ähnlich.