Pfiffe für die Manager

Protest gegen Ausbildungsplatz-Kahlschlag vor der Siemens-Zentrale in Hamburg. Werkstätten in Bremen, Kiel und Rostock vor dem Aus

Aus HamburgKAI VON APPEN

Diesmal hatte die IG Metall einen räumlichen Vorteil: Aus der Etage der Bezirksleitung der IG Metall-Küste im 4. Stock des Hamburger SPD-Hauses konnten Auszubildene des Siemens-Konzerns gestern Morgen ungestört ein acht mal fünf Meter großes Transparent herunterlassen, um gegen den Ausbildungskahlschlag des Eletrokonzerns zu demonstrieren. „Start your Job – bei Siemens ein Flop“, prangte von der Fassade, als die Manager gegenüber, in der Siemens-Zentrale, mit dem Konzernbetriebsrat zu Verhandlungen über ihr neues Unternehmenskonzept „Zukunft der Ausbildung“ zusammentrafen.

Und es war nicht die einzige Überraschung: 400 Auszubildende hatten sich vor der Zentrale versammelt, um mit Trillerpfeifen den Bossen einen lautstarken Empfang zu bereiten. Die Lehrlinge – darunter ganze Ausbildungsabteilungen aus Bremen und Rostock – waren mit Bussen angereist. Schon im Vorwege des Treffen hatten die Jugend- und Ausbildungsvertretungen sowie die Betriebsräte an den Standorten gegen den Ausbildungsplatzabbau protestiert. „Es ist skandalös, dass gerade in der derzeitigen Ausbildungsplatzmisere ein Großkonzern ein Engagement zurückfährt“, so IG-Metall-Bezirksleiter Frank Teichmüller. „Siemens darf nicht nur von Verantwortung für Deutschland reden, sondern muss diese auch praktzieren.“

Der Elektrokonzern hat angekündigt, im Zuge seines Konzeptes die Ausbildung bundesweit zu straffen. „An der Betriebsphase wird nicht gerüttelt. Es werden lediglich betriebsinterne Schulungen zentralisiert“, sagt Siemens-Sprecher Lars Klätschen. Das sieht die IG Metall anders: Im Norden stünden die Ausbildungsstätten in Bremen, Kiel, Rostock und Greifswald vor dem Aus. Das bedeutet den Abbau von 120 Ausbildungsplätzen. Zwar sollen an den bisherigen Standorten noch Jugendliche für eine Ausbildung eingestellt werden, diese sollen jedoch den Hauptteil ihrer Lehre in Hamburg absolvieren. Dies führt nach Ansicht der Betriebsräte, von Ausbildungsvertretungen und IG Metall langfristig zu weiterem Ausbildungsplatzabbau vor Ort. „Die Bereitschaft der eigenverantwortlichen Bereiche, auszubilden, obwohl die Auszubildenden kaum da sind, wird sinken“, so Teichmüller. Das Resultat: Wenn 30 Prozent der Ausbilderstellen gestrichen werden, seien auch die Lehrstellen in Klein- und Mittelbetrieben vor Ort gefährdet, da viele Lehrlinge im Ausbildungsverbund Teile ihrer Lehrinhalte in den Siemens-Werkstätten vermittelt bekommen.

Die IG Metall fordert vom Siemens-Konzern, die Ausbildungsquote auf 5,1 Prozent der Belegschaft anzuheben, nachdem der Konzern 700 Lehrstellen seit 2001 gestrichen hat. Die Gespräche dauerten bei Redaktionsschluss an. Konzernbetriebsrats-Chefin Birgit Steinborn zur taz: „Die Aktion der Auszubildenden hat die Arbeitgeber sehr überrascht und beeindruckt.“